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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sherry ein. Er war so in Aufruhr, daß er kaum wußte, was er tat.
    Fraser hatte den Kopf abgewendet und das Kinn auf die Fäuste gestützt. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte er ins Feuer. Das Licht fiel von hinten auf seine lange, gerade Nase und die sanft geschwungenen Lippen. Nur Kiefer und Augenbrauen lagen im Schatten.
    Grey gewährte sich einen ordentlichen Schluck und nahm wieder Haltung an.
    »Eine bewegende Geschichte, Mr. Fraser«, sagte er langsam. »Äußerst dramatisch. Und dennoch gibt es keinerlei Beweise, daß sie wahr ist.«
    Endlich bewegte sich Jamie. Er wandte sich zu Grey um und sah ihn mit einem Ausdruck an, den man fast schon amüsiert nennen konnte.
    »Doch, Major.« Er griff unter den Bund seiner zerlumpten Kniehose, holte etwas hervor und reichte es Grey. Ein Saphir. Blau wie Frasers Augen und von beträchtlicher Größe.
    »Das ist der Beweis dafür, daß es den Schatz gegeben hat, Major.« Fraser wies auf den Stein. Ihre Blicke trafen sich. »Und was den Rest betrifft… da müssen Sie mir einfach glauben, Major.«
    »Aber… Sie… haben gesagt…«
    »Richtig.« Fraser wirkte so gelassen, als sprächen sie über das
Wetter. »Diesen winzigen Stein habe ich behalten, weil ich dachte, er könnte von Nutzen sein, sollte ich je wieder entlassen werden oder die Möglichkeit haben, ihn meiner Familie zu schicken. Denn Sie werden verstehen, Major…« - Jamies Augen funkelten -, »daß meine Familie mit einem großen Schatz nichts anfangen kann, ohne sich verdächtig zu machen. Ein Stein hingegen ginge an.«
    In Greys Kopf drehte sich alles. Fraser hatte recht. Für einen schottischen Gutsbesitzer war es unmöglich, einen solchen Schatz zu Geld zu machen, ohne ins Gerede zu kommen und damit die königlichen Soldaten auf den Plan zu rufen. Und Fraser selbst müßte den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Aber wie konnte jemand ein Vermögen so leichtherzig fortwerfen? Doch ein Blick auf den Schotten genügte: Wenn es einen Mann gab, dessen Urteilsvermögen nicht durch Gier getrübt war, dann James Fraser. Dennoch…
    »Wie haben Sie den Stein aufbewahren können?« fragte Grey plötzlich. »Sie sind bei Ihrer Rückkehr doch bis auf die Haut durchsucht worden.«
    Jamies breiter Mund verzog sich zu dem ersten ehrlichen Lächeln, das Grey an ihm sah.
    »Ich habe ihn geschluckt«, erklärte er.
    Greys Hand krampfte sich um den Saphir. Er öffnete die Faust und setzte den Stein behutsam neben die Schachfigur auf den Tisch.
    »Ach so«, meinte er.
    »Tja, Major«, entgegnete Fraser mit einer Ernsthaftigkeit, die das spöttische Blitzen in seinen Augen nur noch stärker hervortreten ließ, »schlichter Haferbrei hat eben dann und wann doch sein Gutes.«
    Grey unterdrückte das Gelächter, das in seiner Kehle aufstieg.
    »Ganz gewiß, Mr. Fraser.« Einen Moment blickte er versonnen auf den blauen Stein. Dann hob er den Kopf.
    »Sind Sie Papist?« Er wußte die Antwort bereits. Nur wenige Anhänger der katholischen Stuarts waren keine Papisten. Er stand auf und ging hinüber zu dem Bücherregal. Es dauerte eine Weile, bis er fand, was er suchte. Ein Geschenk seiner Mutter. Nichts, was zu seiner alltäglichen Lektüre gehörte.

    Er legte die in Kalbsleder gebundene Bibel neben den Stein auf den Tisch.
    »Ich würde Ihrem Wort als Gentleman gern Glauben schenken, Mr. Fraser«, sagte er. »Aber Sie werden verstehen, daß ich an meine Pflichten denken muß.«
    Lange verweilte Frasers Blick auf der Bibel, bevor er mit ausdrucksloser Miene zu Grey blickte.
    »Aye.« Ohne zu zögern, legte er seine breite Hand auf das Buch.
    »Im Namen Gottes, des Allmächtigen, und seinem heiligen Wort schwöre ich«, erklärte er mit fester Stimme, »die Wahrheit über den Schatz gesagt zu haben.« Im Schein des Feuers glühten seine Augen dunkel und unsäglich tief. »Und bei meiner Hoffnung auf das Paradies«, fügte er hinzu, »schwöre ich, daß der Rest im Meer liegt.«

11
    Das Torremolinosgambit
    Als die Frage nach dem französischen Gold somit geklärt war, verbrachten sie ihre gemeinsamen Abende wieder wie gewohnt, sprachen zunächst über Angelegenheiten, die die Gefangenen betrafen, plauderten dann zwanglos und spielten gelegentlich eine Partie Schach. An diesem Abend erhoben sie sich vom Eßtisch, vertieft in eine Unterhaltung über Samuel Richardsons gewichtigen Roman Pamela .
    »Finden Sie, daß die Vielschichtigkeit der Handlung den Umfang des Buches rechtfertigt?« wollte Grey wissen, während er

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