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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sich vorbeugte und die kurze Zigarre an einer Kerze auf der Anrichte anzündete. »Ein solch dickes Werk ist nicht nur äußerst kostspielig für den Verleger, sondern fordert auch vom Leser eine große Anstrengung.«
    Fraser lächelte. Er rauchte nicht, hatte sich allerdings für Portwein entschieden. Das einzige Getränk, dem der Tabakgestank seiner Meinung nach nichts anhaben konnte.
    »Das Buch hat ungefähr zwölfhundert Seiten, nicht wahr? Tja, nicht gerade einfach, die Verwicklungen eines Lebens gedrängt zusammenzufassen und gleichzeitig die Dinge präzise darzustellen.«
    »Wie wahr! Aber ich habe auch schon sagen hören, das Meisterliche eines Autors zeige sich in der Kunst der Selektion. Meinen Sie nicht, ein Buch dieser Länge deutet auf mangelnde Entscheidungsfähigkeit und somit auf fehlendes Talent hin?«
    Fraser überlegte, während er bedächtig an dem tiefroten Wein nippte.
    »Sicher habe ich einige gelesen, auf die das zutrifft«, räumte er ein. »Ein Autor hofft, die Geschichte würde glaubwürdiger, wenn er den Leser mit einer Fülle von Einzelheiten erschlägt. Aber hier
liegen die Dinge anders. Jede Gestalt des Romans ist sorgfältig überlegt, und alle geschilderten Begebenheiten sind für das Verständnis erforderlich. Nein, ich glaube einfach, daß manche Geschichten von Natur aus mehr Raum einnehmen müssen.«
    Er trank noch einen Schluck und lachte.
    »Ich gebe zu, was das betrifft, bin ich etwas voreingenommen. Angesichts der Bedingungen, unter denen ich Pamela gelesen habe, hätte ich mir das Buch doppelt so dick gewünscht.«
    »Und welche waren das?« Grey schürzte die Lippen und blies behutsam einen Rauchring zur Decke.
    »Ich habe mehrere Jahre lang in einer Höhle in den Highlands gelebt, Major«, antwortete Fraser trocken, »und selten mehr als drei Bücher dabeigehabt. Aye, ich hege eine Schwäche für dicke Wälzer, aber ich muß zugeben, daß viele anders urteilen.«
    »Das ist in der Tat richtig«, entgegnete Grey. Blinzelnd verfolgte er das ringförmige Gebilde, bevor er ein weiteres hinterherschickte. Als es das erste berührte und in einer winzigen Wolke zerstob, grunzte Grey zufrieden.
    Schließlich drückte er den Stumpen aus und erhob sich aus seinem Sessel.
    »Kommen Sie. Es bleibt uns gerade noch Zeit für eine kurze Partie.«
    Es handelte sich bei ihnen nicht um gleichwertige Gegner. Fraser war ein weitaus überlegener Spieler, doch Grey gelang es zuweilen, ein Spiel mit Hilfe wagemutiger Züge zu retten.
    Heute versuchte er sich am Torremolinosgambit. Die Eröffnung mit dem Damespringer war riskant. Doch war der Anfang geglückt, stand einer ungewöhnlichen Kombination von Turm und Läufer nichts mehr im Wege. Der Erfolg dieser Taktik hing wiederum ab von einer falschen Stellung des Königsspringers und des Bauern des Königsläufers. Grey wandte dieses Gambit selten an, da er bei einem mittelmäßigen Spieler, der die Bedrohung durch den Springer oder die sonstigen Möglichkeiten nicht zu erkennen vermochte, mißlang. Es war ein Trick, der sich an einem geschickten und aufmerksamen Kontrahenten erproben ließ. Aber da sie die vergangenen drei Wochen regelmäßig gespielt hatten, wußte Grey recht gut, welcher Gegner ihm da gegenübersaß.
    Er zwang sich, ruhig zu atmen, als er zum vorletzten Zug der
Kombination ansetzte. Fraser sah ihn kurz an, doch er erwiderte seinen Blick nicht, denn er fürchtete, der andere könnte merken, wie aufgeregt er war. Statt dessen griff er nach der Karaffe auf der Anrichte und füllte beide Gläser mit süßem, dunklem Portwein.
    Bauer oder Springer? Nachdenklich hielt Fraser den Kopf über das Brett gebeugt. Bei jeder Bewegung blitzten kleine rötliche Lichtpunkte in seinem Haar auf. Der Springer - damit würde sein Plan aufgehen, und Fraser hätte seine Chance vertan. Der Bauer - und alles wäre verloren.
    Grey wartete mit klopfendem Herzen. Immer noch hielt Fraser den Kopf gesenkt. Doch plötzlich führte er entschlossen die Hand zu der Figur. Der Springer!
    Offenbar hatte Grey allzulaut aufgeseufzt, denn der Schotte sah ihn mißtrauisch an. Aber es war bereits zu spät. Um sein Triumphgefühl zu verbergen, antwortete Grey mit einer Rochade.
    Stirnrunzelnd betrachtete Fraser das Brett. Sein Blick wanderte hastig über die Figuren, um die Taktik nachzuvollziehen. Als er begriffen hatte, zuckte er leicht zusammen und blickte mit weit aufgerissenen Augen hoch.
    »Sie listiger Fuchs!« stieß er überrascht und beeindruckt hervor.

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