Ferne Verwandte
scheint wie hypnotisiert von
dem aromatischen [?] und mitreißenden Klang der Gruppe. Der Auftritt von Pink Floyd in Rom hat uns die Gelegenheit geboten, live nachzuvollziehen, worum es sich bei dem psychedelischen Sound handelt, über den wir so viel phantasiert haben.
Der Punkt war, dass wir unsererseits wer weiß wie lange hätten weiterphantasieren müssen, und das traf auf die meisten Dinge zu, von denen Giuditta uns erzählte. Wie konnten wir sie verstehen, wenn sie schwor, dass sie hier bei uns und mit uns leben würde? Aber sie blieb dabei: Hier war sie endlich in - selbstverständlich magischem - Einklang mit Erde, Sonne und Natur. Aber auch die anderen Aspekte des Landlebens bezauberten sie. »All die Leute, die dich grüßen, auch wenn sie dich gar nicht kennen. Der Geruch nach frischem Brot auf der Straße und diese Sonnenuntergänge, dieser grenzenlose Himmel! Die Wahrheit ist, dass ihr großes Glück habt und es gar nicht wisst. Nein, ich habe mich entschieden: Mit Rom bin ich fertig.«
Weil wir sie das so hartnäckig wiederholen hörten, waren wir fast überzeugt, dass unser Nest letzten Endes doch nicht das Scheißkaff war, für das wir es immer gehalten hatten, und es genügte wirklich, dass sie hier war, barfüßig unter ihren langen Samtgewändern und mit Blumenkränzen auf dem Kopf, um es uns erscheinen zu lassen wie einen jener legendären, von den Hippies entdeckten Orte wie Ibiza, Mykonos oder Formentera. Wäre Giuditta nicht eines schönen Tages so, wie sie aufgetaucht war, auch wieder verschwunden … Das stürzte uns alle in tiefe Trostlosigkeit, mich im Besonderen. Und selbst wenn man von jeglicher Rücksichtnahme auf Gefühle absehen wollte - verdammt, mir hätte sie es schon sagen können, wir waren schließlich in der Nacht davor zusammen gewesen -, so war mit ihr auch verschwunden, was von den sterblichen Überresten Onkel Arcangelos übrig geblieben war. Zum Glück gelang es mir, sofort etwas zu finden, was ihm ähnelte: Beim Metzger besorgte ich mir den Schienbeinknochen eines Kalbs, schwärzte ihn über der Flamme einer Kerze und
bettete ihn, wieder beruhigt, auf seine schöne Ruhestätte im Reliquiar.
Jedenfalls stärkte die Traurigkeit über das Verschwinden unserer Muse den Zusammenhalt der Gruppe enorm. Wenn wir uns trafen, stellte jeder seine eigenen Hypothesen über ihr mysteriöses Verschwinden auf, bis Apache über seine mit ihrer Tante befreundete Mutter in Erfahrung bringen konnte, dass es überhaupt kein Geheimnis gab: Giuditta war schlicht nach Rom zurückgekehrt.
»Nach allem, was sie gesagt hat? Und die Kommune? Sie war doch so begeistert. Nein, ich kann es nicht glauben. Es muss irgendetwas anderes dahinterstecken … Ihr Vater wird sie gezwungen haben«, schlussfolgerte Rino, und wir stimmten ihm alle zu. Also besorgten wir uns ihre Nummer und bombardierten sie mit Anrufen, aber sie war nie zu Hause, und trotz der Nachrichten, die wir für sie hinterließen, rief sie nie zurück. Im Übrigen streiften wir, ihre Lehren beherzigend, weiterhin durch die Felder, immer auf der Suche nach den eindrucksvollsten Orten, von denen aus wir uns am blutroten Licht des Sonnenuntergangs berauschen könnten. Ebenfalls nach ihrem Vorbild hatten wir uns mit einer ganzen Batterie von Querflöten ausgestattet, doch wenn wir jetzt vor der untergehenden Sonne darauf bliesen, kamen wir uns wie vier Vollidioten vor. Bis wir einmal irgendwohin geraten, wo ich einen flash habe, wie man damals sagte. Ich lege das letzte Stück im Laufschritt zurück, und siehe da: Auf dem Gipfel des Berges gibt es Pits Plantage immer noch, ja, sie hat sich zu einer Art Wald ausgewachsen.
»Das scheint Himalaja-Kraut zu sein«, urteilt Apache, der es während seiner Flucht in Latina geraucht hat. »Sehr gut.« Vielleicht sogar zu gut: Ein einziger Joint reicht aus, um uns umzuhauen. »Das ist echter Kif, ganz was anderes als das Zeugs von Giud«, kommentiert wieder Apache, der als Einziger noch die Kraft hat, überhaupt etwas zu sagen. So beschließen wir unter dem Vorwand, ihr ein paar Kilo von dieser Köstlichkeit schenken zu wollen, unserer lieben kleinen Giuditta einen Überraschungsbesuch abzustatten.
Nach siebenstündiger Fahrt im VW-Bus erreichen wir Rom. Wir brauchen eine Weile, bis wir das Giulio Cesare finden, fahren aber mit einer solchen Begeisterung durch die große Allee, die so anders ist als unsere holprigen Sträßchen, dass auch die Sonne, die abschnittsweise zwischen den imposanten
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