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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Baumkronen aufblitzt, ein anderes Licht für uns zu haben scheint: das dynamische, pulsierende und optimistische Licht einer Metropole. Auf dem weiten grünen Platz vor dem Gymnasium stehen haufenweise Schüler herum, und da ist sie auch schon, mittendrin. Giud, Giuditta , Giuuud rufen wir wie die Irren aus dem Fenster, und das Lächeln gefriert ihr auf den Lippen.
    »Wir haben sie total überrumpelt. Ihr ist glatt die Spucke weggeblieben«, sagt Rino. Kaum sind wir aus dem Kleinbus geklettert - sie lässt sich nicht einmal dazu herab, uns entgegenzugehen -, fühlen wir uns auch schon fehl am Platze, obwohl wir gar nicht so anders sind als ihre Freunde, die uns skeptisch beäugen. Oder vielleicht doch. Zunächst einmal stinken wir nach Schafskäse - da haben wir so viel Gras geraucht, und trotzdem ist der VW-Bus noch immer vom üblichen dumpfen Geruch erfüllt, den auch wir jetzt an uns haben. Außerdem wirkt unsere Aufmachung etwas übertrieben - zu viele und zu grelle Farben. Rino und Apache haben sich, um Eindruck zu schinden, Bänder um den Kopf gebunden, ganz zu schweigen von dem Soldatenspencer und der Ray-Ban-Sonnenbrille, die der Schweizer trägt. Kurzum, man sieht uns auf einen Kilometer Entfernung an, dass wir vom Lande kommen, und die Städter mögen das wohl nicht. Giud scheint es auch nicht zu gefallen. Sie trägt Lederjeans und einen schwarzen Pulli, die Lippen hat sie sich violett angemalt, und auf der Nase sitzt eine fabelhafte Sonnenbrille. Die Haare sind streichholzkurz geschnitten in einem Stil, dessen Name uns im Moment entfallen ist. Sie hat auch ihre ganze Spontaneität verloren und bringt, als sie uns vorstellt, nur mit Ach und Krach unsere Namen und Spitznamen heraus, die auf einmal ziemlich albern klingen. Zum Glück zieht Rino jetzt aus einer Tasche eine Handvoll Himalaja-Kraut und dreht sich nonchalant
einen Riesenjoint, was seine Wirkung auf die Städter nicht verfehlt und in Verbindung mit der mörderischen Wirkung das anfängliche Eis auftaut.
    »Nicht übel. Wo kommt das Zeug her?«, fragt einer von ihnen kühl. Er heißt doch glatt Alain, ist hager und blond, hat eiskalte blaue Augen und eine Elektroschockfrisur. Auch er ist von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Und er hat den Arm um Giud gelegt.
    Ich spüre einen Krampf im Magen. Rino grinst: »Aus dem Himalaja-Apennin.«
    Die anderen lachen. Alain fragt von oben herab: »Kann man das kaufen?«
    »So viel du willst«, antworte ich und fixiere Giuditta, die durch mich hindurchschaut.
    »Warum gehen wir nicht zu mir nach Hause und reden über das Geschäftliche?«, schlägt Sandro, ein anderer aus der Gruppe, vor.
    Wir fahren hinter seinem Volvo Kombi her, allesamt gekränkt, weil Giud mit denen mitgefahren ist, auch wenn keiner den Mut aufbringt, es zuzugeben. In einer Straße steht der Verkehr still. Dann folgt eine Reihe von Sträßchen bis zu einer Gegend mit niedrigen, ausladenden Wohnhäusern mit viel Rasen davor.
    Sandros Wohnung ist riesig, voller Nussbaum und Lederpolster. »Hier stört uns keiner«, sagt er. »Meine Eltern sind in London.« Na toll. Er zieht sich die Schuhe aus und schaltet eine HiFi-Anlage mit allen Schikanen ein. Der Rest der Gesellschaft nimmt die Sofas in Beschlag, von denen jedes anders aussieht, während Giud sich zu Füßen von Alains Sessel niederlässt und die Beine unter einem Glastischchen ausstreckt. Wir fühlen uns inmitten von so viel Luxus befangen, auch weil der Schafskäsegestank in geschlossenen Räumen noch durchdringender wirkt. Doch Rino verliert keine Zeit. Aus einer Tasche fischt er eine weitere Handvoll Gras.
    »Verdammt, du trägst das Zeug so mit dir herum. Du hast es nicht einmal in Stanniol verpackt?«, fragt Sandro, der sich bei dem ganzen Zaster, über den er verfügen muss, ausgerechnet über solche Kinkerlitzchen wundert.

    »Da bräuchten wir schon kilometerweise Stanniol«, sagt Rino hochnäsig und zündet sich einen Riesenjoint an, der sofort die Luft verbessert.
    Nach ein paar Joints erhebt sich der Herr des Hauses mit der Frage, auf die wir gewartet haben: »Habt ihr Hunger?« Er kehrt mit einem massiven Silbertablett zurück, und darauf liegen gerade mal ein paar Tomaten und Parmesan- und Mortadellahäppchen. Es mag vielleicht zwei Uhr sein, und der kommt mit so einem Sparteller daher, noch dazu mit Mortadella - so betucht, wie der ist! Trotzdem schlingen wir alles gierig hinunter. Alain sieht uns angewidert zu, und während er raucht, streicht er über die

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