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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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während Giud zu mir sagt: »Steig schon ein. Los.«
    »Nein, mit dem da komme ich nicht mit«, antworte ich.
    »Ich habe dir doch gesagt, was das für ein Typ ist … Fahren wir weiter«, meint Rino.
    Aber sie insistiert: »Na los, sei kein Frosch!«

    Sie einfach so ziehen zu lassen, zumal klar ist, dass sie mit Rino weiterfahren würde, passt mir überhaupt nicht, und so steige ich ein, und während wir auf das einsame Haus der echten Mona Lisa zufahren, ist Giuditta so schön und so quicklebendig, dass ich bald schon in ihr Gelächter einstimme.
    Als wir das baufällige Gemäuer betreten, zieht sie aus ihrer mit Spiegelchen bestickten Umhängetasche Räucherstäbchen hervor und zündet sie an. Danach zündet sie sich auch noch einen Joint an. Sie inhaliert tief, reicht ihn weiter und fängt an, sich langsam um sich selbst zu drehen. Wir sehen sie bestürzt an, aber nicht wegen des Haschs: Rino hat in Turin so seine Erfahrungen gemacht und bestätigt mir durch eine Kopfbewegung, dass das Zeug gestreckt ist. Es ist vielmehr Giuditta, die uns aus den Socken haut mit ihrem Kleid aus amarantrotem Samt und dem Blümchenkranz, den sie sich geflochten und über die Stirn gelegt hat. Jetzt dreht sie wie eine Nymphe im Hain ihre Pirouetten. Irgendwann hält sie inne. Sie scheint von etwas fasziniert zu sein, was nur sie wahrnimmt. Sie sagt: »Lisa ist hier, ich fühle sie … gebt mir euren Arm.« Wir geben ihn ihr und bilden einen engen Kreis - einen magischen Kreis, versteht sich. Doch ich weiß schon, was Rino denkt, deshalb schreie ich, sobald er ihr einen Kuss auf die Wange drückt: »Ich fühle sie … Ich fühle sie auch, Lisa, sie ist hier … Nein, doch nicht, sie geht hinaus.« Draußen drehe ich den Kopf nach rechts und nach links und flüstere traurig: »Ich hab sie verloren...«
    Rino wirft mir einen vernichtenden Blick zu, aber jetzt haben wir die Sonne direkt vor uns, außerdem eine hundertjährige Eiche, unter der wir uns niederlassen, um in die Sonne zu schauen und uns einen weiteren von Giuds minderwertigen Joints reinzuziehen. Wir hören ihr zu, während sie auf ihrer Querflöte bläst und als sie später sagt: »Wie friedlich es hier ist … Das ist das Leben! Nein, nach Rom gehe ich nicht mehr zurück. Ich möchte ein Haus auf dem Land, wir könnten hier zusammen leben. Wir arbeiten als Bauern und gründen eine Landkommune, wäre das nicht toll?« Ja, muss sie da noch fragen? Doch wir sind noch mitten in der schönsten
Planung, als sie plötzlich aufsteht und zum allabendlichen Telefongespräch mit ihrem Vater zurückmuss. Vor dem Haus ihrer Tante klettern wir, ich und sie, aus dem Kleinbus, und sie gibt mir einen Kuss und flüstert: »Am üblichen Ort?« Ich seufze: Also bin doch immer noch ich es, der ihr Herz höher schlagen lässt.
    Dieses Mal zeige ich ihr zuerst die ehemalige Kirche. Übermütig scheuchen wir mit einer Taschenlampe die Hühner auf. Dann fummeln wir herum, wieder unter Zuhilfenahme von Onkel Arcangelos Schienbeinknochen, aber am folgenden Nachmittag sitzen außer Rino noch Apache, Tarcisio und der Schweizer im VW-Bus. Als ich einsteige, mustern sie mich feindselig: Einen solchen Schatz hatte ich an der Hand und ihnen nichts davon gesagt! Aber wenn man mit diesem Mädchen zusammen ist, das einem zwischen zwei Joints die unglaublichsten Geschichten erzählt, hat man bald jegliche Unstimmigkeit vergessen.
    Fast einen Monat lang waren wir auf der Suche nach dem Haus für unsere Kommune.
    Während wir durch die grüne Landschaft streiften, war Giuditta so hingerissen von so viel Schönheit, dass sie nichts anderes tat, als ihr Leben in Rom, ihre Freunde - hauptsächlich verlotterte junge Rocker - und die für uns so wunderbaren Lokalitäten, in denen sie verkehrte, schlechtzumachen. Schließlich erzählte sie uns sogar ausgiebig von dem legendären Pink-Floyd-Konzert, über das wir seinerzeit begierig Folgendes gelesen hatten:

    Roger Waters scheint, wie er sich so über den Bass beugt, von einem LSD-Fieberanfall gepackt, der ihn lange in die Knie zwingt, bis er in den Schrei Careful with that Axe, Eugene ausbricht. Dann folgt mit einer phantastischen Sequenz das siderische Astronomy Domine, A Saucerful of Secrets , und zwar in der dissonantesten und visionärsten Version mit Masons endlosem Trommelwirbel am Ende, und Set the Controls for the Heart of the Sun , bei dem Waters auf noch verstörendere Weise flüstert: of the sun … of the sun . Der Applaus bleibt aus, denn das Publikum

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