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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Congratulations «, echote die Rothaarige. Sie hieß Shirley, war meine Sekretärin, und ich konnte mich mit jedwedem Problem an sie wenden, ich müsse nur den ersten Knopf rechts auf der Tastatur drücken, erklärte mir der Bleiche, bevor sie beide hinausgingen.
    Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, ließ ich ein paar Momente verstreichen und horchte auf mögliche Geräusche. Dann stieß ich stumme Jubelschreie aus und boxte in die Luft. Ich hatte es geschafft, und das erschien mir so unglaublich, dass ich quer durchs Zimmer hüpfte und noch einmal die fett gedruckte Ziffer las: ein Monatsgehalt gewiss, aber auch wenn es für ein Jahr gewesen wäre, hätte ich zufrieden sein können. Dann machte ich es mir
auf dem weichen Ledersessel bequem und legte, natürlich, die Beine auf den Schreibtisch - in wie vielen Filmen hatte ich das nicht gesehen? Diese Position war allerdings nicht die bequemste - vielleicht erforderte sie ein gewisses Training -, und so schwang ich mich herum und hatte, mit der Kulisse von Manhattan vor mir, das Gefühl, dass die Welt, wie man so schön sagt, mir gehörte und ich sie nur noch zu genießen brauchte. Vor allem aber musste man das alles begießen. Trotz intensivster Bemühungen gelang es mir nun nicht, die Bar ausfindig zu machen, aber da ich keinen Augenblick daran zweifelte, dass sie nicht Teil der Ausstattung eines solchen Büros sein könnte, drückte ich auf die Taste, und Shirley trat ein und erläuterte mir lächelnd die verschiedenen Funktionen der Schalttafel. Augenblicklich glitt eine Reihe von Paneelen zur Seite und legte Bar, Espressomaschine, Eis, Fernseher und Walkie-Talkie frei. In meiner Begeisterung über all diese Wunderdinge war ich versucht, sie zum Anstoßen einzuladen, da aber möglicherweise so viel Leutseligkeit gegenüber einer einfachen Sekretärin zu einem Manager meines Kalibers nicht passte, entließ ich sie kühl. Dann öffnete ich eine Miniflasche Moët. Kein Vergleich zum Cristal’68, aber immerhin trinkbar, sagte ich mir kulant, und dass ich das unbedingt sofort jemandem erzählen musste. Ich nahm den Hörer ab und wählte die einzig mögliche Nummer, doch am anderen Ende meldete sich Apaches Mutter. Seit dem Skandal mit meiner geplatzten Hochzeit war gerade einmal ein Tag vergangen, und ich wollte mich nicht ihrer Neugierde aussetzen, also legte ich wieder auf. Die nächste Stunde verbrachte ich damit, Paneele zu öffnen und zu schließen, die Anzahl der Fernsehkanäle herauszufinden und mich an der Ausstattung meines privaten Badezimmers zu erfreuen - es gab sogar eine Sauna mit Dusche und Unterwassermassage. Ich fing schon an, mich zu langweilen, als es an der Tür klopfte. Es war der blasse Randolph.
    Während der Fahrt in der Limousine behielt er einen distanzierten Ton bei und beschränkte sich darauf, die Namen einiger Kirchen und Museen zu nennen. Dann blieb er praktisch stumm,
bis der Chauffeur in einem Seitensträßchen der Madison hielt, und zwar vor einem kleinen neoklassizistischen Wohnhaus, in dem das persönliche Schneideratelier von Onkel Richard untergebracht war. Beim Eintreten betrachtete ich die Bilder an den Wänden, während das Parkett vornehm unter unseren Sohlen knarrte. Dann nahm mir dieser kleine, glatzköpfige Typ mit dem schmalen Bartstreifen um das fette Gesicht Maß. Aus einer unendlichen Palette von Grautönen suchte ich mir Stoffe aus, und auch der Konfektionsanzug, den ein Angestellter mir anstelle meines alten mit der kleinkarierten Jacke überreichte, war grau. Onkel Richard musste ihn für meine neue Position als nicht angemessen erachtet haben, und mir war nicht danach zumute, ihm das zu verdenken.
    Auf dem Rückweg nahmen wir eine andere Route. Die Limousine blieb neben einem smaragdgrünen Vordach stehen, und ein tressenverzierter Pförtner öffnete mir die Tür. Gleich danach betrat ich mein Apartment. Randolph zeigte mir gewissenhaft ein Zimmer nach dem anderen, dann sagte er: »Für heute ist das alles, mein Herr. Bis morgen, mein Herr. Punkt neun.«
    Am nächsten Tag, Punkt neun, war ich im Büro. Ich hatte fünfzehn Stunden durchgeschlafen - überflüssig zu sagen, dass ich mich, kaum dass ich wach war, gefragt hatte, ob es sich nicht bei allem nur um einen Traum handle. Auf meinem Schreibtisch fand ich ein halbes Dutzend Bücher über Wirtschaft vor. Shirley teilte mir mit, Mr Di Lontrone habe sie persönlich geschickt - und das erfüllte mich mit Enthusiasmus. Offensichtlich setzte Onkel Richard auf

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