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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Dieser Gedanke kam mir aber erst später. Im Augenblick war ich vollkommen hingerissen: Sie zusammen zu sehen, die Schwestern Collins Jones La Pierre, hatte die Wirkung eines Windkanals - es verschlug einem schlicht den Atem. Hier hatte Gott wohl die perfekte Synthese von Schönheit erschaffen wollen. Ich stellte mir vor, wie viele Männer sich in sie verliebt haben mussten, ohne sich im Klaren darüber zu sein, in welche von beiden. Was mich anbelangte, so gab es keinen Zweifel. Ich liebte Cybill bereits von ganzem Herzen. Meine Phantasie zersprang allerdings in tausend Stücke, als Jenny, ohne den Blick von mir zu wenden - zweifellos, um die Wirkung ihrer Worte voll auszukosten -, nun sagte: »Stewart ist da.«
    Cybill schien wie aus dem Schlaf wachgerüttelt zu werden. Sie drehte den Kopf nach rechts und nach links und fragte: »Wo ist er?«, und die Lippen ihrer Schwester verzogen sich zu einem Lächeln reinster Perfidie. »Komm mit«, antwortete sie und schleifte sie fort, und während Cybill ihr, ohne auch nur die Andeutung eines Abschiedsgrußes, folgte, war ich vernichtet: Das war die zweite kalte Dusche des Abends und würde auch die letzte sein. Ich würde niemandem mehr erlauben, mich zu demütigen. Doch bevor ich ging, wollte ich diesem Stewart ins Gesicht sehen, dem Mann, der alle meine Illusionen zerstört hatte, und zwar definitiv. Da war er auch
schon, da hinten, groß, mit langen, glatten Haaren, eingezwängt in seinen weißen Satinsmoking im authentischen kalifornischen Stil und umringt von einer Verehrerschar.
    Ich erkannte ihn sofort, J. Stewart Sheffield. Auch in Italien gab es viele, die für ihn schwärmten. Selbst Tarcisio war ein begeisterter Fan von ihm. Ich hatte ihn immer zum Kotzen gefunden, aber jetzt, da ich sah, wie er Cybill mit der Miene eines zerstreuten Eroberers empfing, hasste ich ihn geradezu. Er streichelte ihr übers Gesicht, bevor er mit einem Satz auf die Bühne sprang. Die Lichter wurden abgeblendet, und er nahm eine Gitarre in den Arm, die so weiß war wie die Cowboystiefel, die er immer anhatte. Mit einer einstudierten Armbewegung warf er die dichte Mähne nach hinten, und unter den spitzen Schreien der anwesenden Mädchen legte er mit einem seiner schnulzigen Protestsongs los. Zehn Minuten etwa ging das so, und ich fragte mich, was Tarcisio davon halten würde, dass sich sein Mythos vor einem Publikum reicher Säcke produzierte. Dann nahm er triumphal seinen Tribut an Applaus entgegen und sprang, wiederum mit einem Satz, von der Bühne herunter. Ihn erwartete Cybill, meine Cybill. Er umfasste ihre Taille und führte sie frech davon.
    » Sheetman «, zischte Charles.
    Ich sah, dass er den letzten Rest aus der Flasche leerte. Er war so anders, als ich ihn aus Italien in Erinnerung hatte: Er hatte seine ganze Sicherheit verloren. Unter denen, mit denen er mich bekannt gemacht hatte, war keiner in seinem Alter gewesen. Ich stellte ihn mir vor: jung, reich, einsam und ohne einen Freund, genau wie der arme Schweizer - deswegen wohl hatte er mich in Amerika haben wollen. Er tat mir leid.
    »Und trotzdem sind die Frauen verrückt nach ihm, wegen dieser dämlichen Liedchen«, fuhr er fort, gefährlich schwankend. »Meine Frau inbegriffen … Du dagegen, du bist auf Cybill scharf, oder, mein liebes Vetterchen?«
    Er war betrunken, ich auch, das stand fest, und vielleicht deshalb vertraute ich ihm an, dass ich mir eingebildet hatte, die Frau meines Lebens gefunden zu haben.

    »Das passiert jedem, der sie sieht«, erwiderte er. »Lass trotzdem nicht den Mut sinken. Meine Schwägerin stellt so viele zufrieden wie nur möglich. Sie ist ein flatterhafter Typ«, sagte er und schenkte mir ein besonders breites Lächeln, und während er sich eine weitere Flasche entkorken ließ, fing er an, mir von ihr zu erzählen - eine pittoreskere und aktuellere Version als die von Jennifer.
    Bevor sie mit sechzehn von zu Hause türmte, war Cybill Volleyballmeisterin gewesen - daher also dieser Körper. Sie hatte in einer der wenigen noch verbliebenen Hippie-Kommunen gelebt - daher also kannte sie Air , eine Art Hymne für diese Leute -, hatte als Model gearbeitet und mit Drogen gedealt und war buddhistische Nonne geworden. Zusammen mit dem koreanischen Konzeptkünstler war sie aus dem Orient zurückgekehrt, hatte ihn geheiratet und nach einigen Monaten wieder verlassen. »Und jetzt ist sie mit diesem sangesfrohen Stück Scheiße zusammen, aber ich glaube nicht, dass es lange gut geht. Ich hab’s

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