Ferne Verwandte
einen jener Orte mit schnuckeligen, gedämpft beleuchteten Räumen und Laura-Ashley-Tapeten und alten englischen Drucken an den Wänden, wo sich junge und weniger junge Damen, alle jedenfalls in Seidenblusen mit Schleife, zu einem leichten Frühstück oder zum Nachmittagstee verabredeten. Wir saßen im bläulichen Halbschatten, und mit genau dem richtigen Grad an Empörung erzählte sie mir die Geschichte, wie Stewart ihr einmal bei der Rückkehr von einer Tournee ein Geschenk überreicht habe. Erfreut habe sie die rotsamtene Schachtel geöffnet und einen Magic Mandingo darin vorgefunden, die Latexreplik von Mandingos Penis. Er - »dieses Schwein« - habe ihn genommen und ihn ihr hinten reingeschoben - »hinten, verstehst du«. Unter Tränen drückt sie mir die Hand, als sie das sagt, und küsst sie. Dann steht sie schluchzend auf. Einen Augenblick später folge ich ihr in den Waschraum, um sie zu beruhigen. Es handelt sich um ein süßes, romantisches Badezimmer, und auf dem holzverkleideten Waschtisch steht eine Vase mit weißen Gardenien, deren Blüten nach und nach abfallen, während ich Cybill ficke.
Wegen Stewart machte ich mir - zu Unrecht - keine Sorgen. Obwohl Cybill weiter von ihm sprach, war ich es doch, für den sie sich entschieden hatte. Es gab allerdings einen anderen Mann, auf den ich wirklich eifersüchtig sein musste, einen, der einen hohen Stellenwert in ihrem Leben besaß und den sie in ein Geheimnis gehüllt wissen wollte.
Wir verbrachten ganze Tage außer Haus. Am Nachmittag, nach dem Essen, legten wir uns im Central Park auf den Rasen, umgeben vom zarten Grün der Bäume und von Eichhörnchen, die zutraulich um uns herumhüpften. Dann bummelten wir durch die Geschäfte. Cybill war, als ich sie am See aufgelesen hatte, praktisch nackt gewesen; jetzt brauchte sie eine neue Garderobe, und zwar die Garderobe einer reichen Erbin. Zu allem Überfluss hatte Stewart ihr die Kreditkarten gestohlen, und fürs Erste wollte sie nicht, dass ihr Vater und ihre Mutter von ihrem x-ten Scheitern erfuhren, deshalb
musste ich sie ausstatten. Cybill hatte im Leben immer alles gehabt, aber in dieser besonderen Situation geriet sie angesichts der vielen Dinge wieder in Erregung und sah mich vor jedem Kauf wie das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern an. Ihre Naivität und ihre frische Natürlichkeit erfüllten mich mit Rührung. Bei dem ersten Kauf der vielen, die wir tätigten, handelte es sich um ein Holzding in Form eines T, eine Art Kleiderbügel, aber mit einem weniger langen Querbrett, ohne Haken und flach; vor allem im Preis - ein glatter Hunderter - unterschied es sich von jedem anderen Bügel. Der Verkäufer montierte das Gebilde auseinander und steckte es in eine ockerfarbene Stoffhülle. Seine Funktion wurde mir noch am gleichen Abend klar, als ich mit einem Salat und einer Flasche guten Weins das Wohnzimmer betrat und sie in der spartanischen Baumwollunterwäsche, die sie im Gegensatz zu ihrer Schwester bevorzugte, im Lotossitz auf dem Boden sitzen sah, den Kopf erhoben, die Augen geschlossen, das Gestell zwischen den Schenkeln und die Arme darauf abgelegt.
In der Stunde, die sie brauchte, um aus ihrem Trancezustand aufzuwachen, betrachtete ich das perfekte Muskelspiel ihrer Beine, den harmonischen Poansatz, das zurücktretende Becken mit den zuckenden Bauchmuskeln, das markante Gesicht mit der prägnanten Nase, die breite Stirn unter der Linie der nach hinten gebundenen Haare. Ihr zweiter Makel neben den lachhaften Brüsten war übrigens die typisch amerikanische Kinnlade, aber trotzdem kam mir Cybill wunderschön vor, als sie nun aufstand, auf mich zuging und sich wie benommen neben mich setzte.
Der Bügel war in Wirklichkeit ein Bragon - von dem sich bereits in den ältesten Gemälden der Hindus Spuren finden - und diente ihr als Stütze während der Meditation, die sie nach geheimen Techniken durchführte: »Wenn es dir gelingt, in den Fluss des Universums einzutauchen, siehst du das Licht. Wenn du dich auch von den Leidenschaften befreist, hörst du den Klang.« - »Was für einen Klang?« - »Tausende von Vögeln oder Grillen … Du findest Frieden in deinem Inneren.« - Techniken, die ihr direkt von
Whiteagle Spencer, ihrem spirituellen Meister, offenbart worden waren. Ihm war es zu verdanken, dass sie ihr - wenn auch fragiles, füge ich hinzu - Gleichgewicht gefunden hatte und dass es ihr zum Beispiel gelungen war, mit ihrem ersten Mann, dem koreanischen Konzeptkünstler, Schluss zu
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