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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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rebellisches Wesen, dazu veranlasst, von zu Hause abzuhauen und so zu leben, wie sie gelebt hatte. Nur dass es ihr dabei nicht besser ergangen war. Mit den Männern war es eine Katastrophe gewesen: Ja, sie hatte eine Menge gehabt, aber jedes Mal in der Überzeugung, den Richtigen gefunden zu haben. Es hatte den Anschein, als zöge sie alle möglichen Schurken an, und J. Stewart Sheffield war der Schlimmste von allen. Nach ihrer
Hochzeit hatte der Apostel von Peace & Love sie praktisch in jener Villa in der Umgebung von New York eingesperrt, wohin ich ihr im Frühherbst gefolgt war. Und fast ein Jahr später war ich durch reinen Zufall genau gegenüber von dieser Villa gelandet - es war einer jener Zufälle, die das Leben mit einem Schlag verändern.
    Wie jeder Rockstar soff Stewart, nahm Drogen und schlief mit groupies , aber er wollte auch eine Frau für sich allein, die die Tage damit verbrachte, treu und brav auf ihn zu warten. Cybill hatte eine Weile mitgespielt - ich sagte ja schon, dass sie unbedarft war -, doch schließlich hatte sie es satt und befand sich jetzt, nach einer Liebesnacht, in meinem Badezimmer, aus dem nicht gerade delikate Geräusche drangen, aber ich betete alles an, was ihr Körper hervorbrachte. In meiner Wohnung war sie und wollte es, wie sie mir, an mich geschmiegt, versichert hatte, auch bleiben, und die Tatsache, dass ausgerechnet sie, die fabelhafte, wenn auch unglückliche Cybill Collins Jones La Pierre, die Tochter des Pomadenkönigs und Gemahlin des berühmten J. Stewart Sheffield, mich auserwählt hatte - ohne etwas von meiner bedeutenden Karriere zu wissen -, war der Beweis dafür, dass ich für mich genommen etwas wert war. In dieser neuen Gewissheit rief ich spontan im Büro an und teilte ohne weitere Erklärungen mit, dass ich mir Urlaub genommen hätte. Die Hochfinanz konnte mir den Buckel runterrutschen. Schriftsteller wollte ich werden, und mit Cybill an meiner Seite, da war ich mir sicher, würde ich es schaffen. Als kaum ein paar Minuten später das Telefon läutete und am anderen Ende der Leitung Lucille mir Onkel Richard ankündigte, der Erklärungen von mir verlangte, konnte ich allerdings nur herumstottern: »Das Sushi gestern Abend, Onkel … Ich hab eine höllische Nacht hinter mir: Ich fühle mich schwach … Ich muss mich ausruhen.«
    »Du meinst also, wir sollten unsere Investitionen in die Yamakoshi zurückfahren?«
    »Ich weiß nicht, Onkel … Ich bin so fix und fertig, Onkel.«
    »Kurier dich aus, mein Sohn. Bis bald«, hängte er mich barsch ab.

    »Ach, leck mich doch«, sagte ich, natürlich erst nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, und in diesem Augenblick kam Cybill in einem weißen Bademantel aus dem Bad. Nein, wir schlossen uns nicht zu Hause ein - sie war lange genug eingesperrt gewesen -, um wie die Igel zu rammeln und wie die Protagonisten in jedem amerikanischen Film, der etwas auf sich hält, im Chinarestaurant georderte Gerichte zu verzehren. Und obwohl es uns einmal direkt in einem Lokal überkam, so war es jedenfalls nicht in einem chinesischen. Jeden Tag bummelten wir durch Museen und Galerien. »Stewart treffen wir hier mit Sicherheit nicht«, sagte sie mir an jenem ersten Morgen, und sofort fing sie an, mir von ihm zu erzählen, und ich hörte ihr zu, irre vor Glück, weil ich sie in meinen Jeans und in meinem Hemd an meiner Seite hatte.
    J. Stewart Sheffield hatte bekanntlich während der Studentenrevolte in Berkeley Berühmtheit erlangt, aber wie es dazu gekommen war, das konnte keiner wissen. Zu jener Zeit war er nicht einmal Student gewesen - er war so früh wie irgend möglich von der Schule abgegangen. Er war auch nicht »J. Stewart Sheffield«, sondern hieß Hermann Goering - ja genau: Sein Vater, ein Österreicher der Herkunft nach, hing noch gewissen Ideen nach. Hermann hatte sich von Kindesbeinen an für einen Künstler gehalten, seit er nämlich trotz seines Namens, den der Ansager in äußerster Verlegenheit zu »E. Garing« entstellt hatte, die Childlike Voices from Illinois - ein Pendant zum italienischen Kindersingwettbewerb Zecchino d’oro - gewonnen hatte. Allerdings waren die Auftritte als Orchestermusiker in einem Nachtlokal des seinerzeit unbekannten kalifornischen Städtchens der Gipfel dessen gewesen, was er seither hatte erklimmen können.
    Er war fünfundzwanzig und hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als er eines Tages die Tür seiner Bude öffnete und die massige Silhouette seines alten Kumpels und

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