Ferne Verwandte
machen, der sie - kaum zu glauben, füge wiederum ich hinzu - nur des Geldes wegen geheiratet hatte. Bald würde sie ihrem Guru nach Kanada nachreisen, um ihn um Aufklärung zu bitten, was nun zu tun sei. In Sack und Asche würde sie reisen, weil er sie vor einer Ehe mit Stewart Sheffield deutlich gewarnt hatte. Seinen Namen hatte er gar nicht wissen wollen - die Welt außerhalb des Aschram existierte für ihn nicht -, sondern einfach an einem rituellen Algonkingürtel geschnuppert, den Cybill ihren Bewerber hatte tragen lassen - das war seine Art, Antworten zu geben. Und dieses Mal, so vertraute sie mir treuherzig an, würde sie, obwohl sie sicher sei, mich zu lieben, die Empfehlungen ihres Meisters, wie auch immer sie ausfielen, befolgen. Das war also der Mann, auf den ich eifersüchtig sein musste, zumal Whiteagle alles andere als der Tattergreis war, als den man sich einen spirituellen Meister gemeinhin vorstellt.
Auch die übrigen Abende verbrachten wir zu Hause oder bestenfalls im Kino, und es gelang mir nie, sie zu überreden, über die Schwelle eines jener Nachtlokale zu treten, die ich aus der Tiefe meiner Provinz als das Symbol für New York schlechthin zu sehen gelernt hatte - »Keine fünf Minuten, und Stewart würde daherkommen … Hier kennen uns wirklich alle«, sagte sie. Aber ich litt nicht mehr so stark darunter. Bei Sonnenuntergang kehrten wir erschöpft in unser Liebesnest zurück, und zu sehen, wie sie durch die Zimmer schlenderte, sich mit angezogenen Beinen auf das Sofa setzte und an einer aus dem Kühlschrank entnommenen Sellerieknolle knabberte, war für mich das grandioseste aller Schauspiele. Bis wir eines Morgens im Begriff waren auszugehen und das Telefon klingelte.
Es war Lucille, Onkel Richards Sekretärin, und sie setzte mich in die Warteleitung zu ihrem und meinem Chef. Im Verlauf der Woche hatte ich mir oft überlegt, was ich ihm sagen würde - ein kniffliges
Problem. Von einer Fortsetzung der Arbeit mit ihm wollte ich nichts mehr wissen, das war vollkommen klar, aber jetzt, da der entscheidende Moment gekommen war, musste ich mich konzentrieren, und Cybills Anwesenheit machte mich verlegen. Deshalb ging ich ins andere Zimmer, um den dortigen Apparat zu benutzen. Es gelang mir dennoch nicht, viel zu sagen, da ausschließlich er redete oder vielmehr brüllte, und als ich niedergeschlagen ins Wohnzimmer zurückkehrte, war Cybill ganz blass, presste den Ellenbogen in die Hand und hielt in der anderen eine Zigarette - es war das erste Mal, dass ich sie rauchen sah. Es mag übertrieben erscheinen, aber sie machte mir tatsächlich Angst: Es musste etwas Schwerwiegendes passiert sein, etwas sehr Schwerwiegendes, wenn sie eine so finstere Miene aufsetzte. Vielleicht hatte Stewart uns entdeckt und stand vor dem Haus, bereit, sie unter Gewaltanwendung zurückzuholen. Stattdessen fragte sie mich, mit wem ich telefoniert hätte. Mit Onkel Richard, antwortete ich.
»Nein, es war eine Frau … Pass nur auf, dass ich dich nicht umbringe!«, giftete sie.
Ich seufzte: Es handelte sich also bloß um Eifersucht. In diesen Tagen hatte Cybill mehrfach gesagt, dass sie mich liebe, aber ich hätte nie gedacht, dass sie meinetwegen so weit gehen würde, und das gefiel mir, mein Gott, und wie mir das gefiel! Ihren drohenden Blick und die Wut, die in ihr kochte, fand ich absolut unwiderstehlich.
»Kein Zweifel, dass dem so ist«, drang sie weiter in mich. »Warum bist du denn nicht, wenn du meinetwegen schon im ersten Augenblick den Kopf verloren hast, gekommen und hast mich gesucht? Wenn es nach dir gegangen wäre, hätten wir uns niemals wiedergesehen.«
»Das stimmt nicht. Einmal habe ich dich sogar mit dem Auto verfolgt, aber du warst gerade zu Hause angelangt, da hat er angefangen, Lonely Angel zu spielen … Was hätte ich gegen den großen J. Stewart Sheffield schon ausrichten können?« Ich legte die größtmögliche Ironie in dieses Adjektiv.
»Du hättest wenigstens versuchen können … mich anzurufen.«
»Ich hatte keine Nummer.«
Sie zuckte die Achseln. »Warum hast du nicht Jennifer gefragt? Bah, bin ich blöd! Die fragst du ja ganz andere Sachen«, platzte es aus ihr heraus. »Ich habe euch bei ihrer Hochzeit beobachtet und gemerkt, wie sie dich angeglotzt hat. Gib es zu: Sie war am Telefon. Immer und überall hat sie ihre Hände im Spiel … Ich hasse sie.«
»Es war Onkel Richard, das hab ich dir doch gesagt. Er will, dass ich wieder ins Büro komme. Leider habe ich auch eine
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