Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
Vom Netzwerk:
du!«, schimpfte sie drauflos. »Du hast mir meinen Frank umgebracht. Sie ham ihn gestern gefunden, aber eine Mamma, die hat für bestimmte Dinge’n Gespür, und seit er dich mit nach Haus gebracht hat, hab ich gespürt, dass du meinen armen Sohn mal umbringen wirst … Dich will ich auch tot sehn, du Schuft, und wenn ich dir das Herz mit meinen eigenen Händen aus dem Leibe reißen muss!«
    Ich war patschnass vor Schweiß - einem stinkenden, eiskalten Schweiß -, und die Beine zitterten mir, als ich, ohne ein Wort zu sagen, auflegte. Deshalb also war er verschwunden … Aber was hatte ich damit zu tun? Ich kaufte mir schnell eine Zeitung, und schon beim Aufschlagen wurde mir klar, wie falsch ich Frank Cargallo eingeschätzt hatte. Er starrte mich mit einer traurigen Grimasse an, die Schlagzeile des acht Spalten langen Artikels lautete: »Grässlicher Tod des aufgehenden Sterns der New Yorker Mafia« - von wegen kleiner Vorstadtboss! Sie hatten ihn halb verwest in einem Lagerhaus der Bowery gefunden, aber nicht einmal, als ich las, dass sie ihm den Kopf in zwei gleiche Teile zersägt hatten, konnte ich einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken. Die Zeitung sprach von der klassischen Abrechnung zwischen rivalisierenden Clans, und in der Reihe der Verdächtigen war von meinem Namen jedenfalls keine Spur zu sehen. Die Erleichterung, die ich empfand, hielt gerade so lange an, wie ich brauchte, um ins Hotel zurückzukehren, mich ermattet aufs Bett zu werfen und im Fernsehen mein Gesicht neben dem seinen zu sehen.

    Der Wortschwall des Sprechers kam wie in Zeitlupe bei mir an, als würde er eine weite Distanz zurücklegen. Ich war die Nachricht des Tages - die letzte Person, mit der Cargallo lebend gesehen worden war. Ausgerechnet ich, Carlo Di Lontrone, der Neffe des großen Tycoons Richard Di Lontrone, welcher ebenfalls gezeigt wurde, wie er mit düsterer Miene in seinen von Journalisten belagerten Rolls kroch. Das Blut gefror mir in den Adern, mein Kopf wurde leer. Vielleicht verlor ich das Bewusstsein, ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wie lange ich in diesem Zustand verharrte, ich weiß nur, dass es, als ich wieder zu mir kam, dunkel war und mir die Angst wie ein Berg auf der Brust lastete. Die Polizei suchte mich wegen Mordes, und nicht wegen Mordes an irgendjemandem, nein, meine Herrschaften: wegen Mordes an dem »aufgehenden Stern der New Yorker Mafia«! Mafia . Onkel Richard wollte nicht einmal mehr das Wort hören. Sein ganzes Leben lang hatte er sich bemüht, sie sich vom Hals zu halten, und da komme ich aus Italien daher und hänge sie ihm wieder an, und das würde er mir nun wirklich niemals verzeihen. Jetzt war ich endgültig erledigt. Hätte ich nicht die Kraft gefunden, aus dem Bett zu springen, wäre ich bestimmt gestorben - was weiß ich, an einem Infarkt oder so. Ich musste mich stellen, es half alles nichts. Dann würde passieren, was passieren musste. Ich weckte den Nachtportier und fragte ihn nach der nächsten Polizeistation.
    Die Eingangshalle war voller Halunken und Prostituierter, die in Handschellen auf ihr Schicksal warteten. Ich fixierte das Arschgesicht des Polizisten hinter der Glasscheibe. »Ich bin Carlo Di Lontrone«, wandte ich mich theatralisch an ihn, und die Gleichgültigkeit, mit der er meine Worte quittierte, gab mir das Gefühl, lächerlich zu sein, doch sobald ich hinzufügte: »Ich bin hier wegen des Mordfalls Cargallo«, sah ich, wie sich seine schweren Nüstern aufblähten. Er zog die Nase hoch, räusperte sich und reichte mir einen Fragebogen. »Hier bitte … Füllen Sie den aus, mein Herr.«
    Es gab einen einzigen freien Stuhl. Der Schwarze daneben trug einen großkarierten Dreiteiler mit Schlaghose und stank nach Erbrochenem.
Ich legte den Fragebogen auf meine Knie, füllte ihn rasch und mit angehaltenem Atem aus, und sobald ich wieder am Schalter stand, hob der Polizist die Augen von seinem Register.
    »Schon fertig, mein Herr?« Er warf einen Blick auf das Formular. »Sie wohnen im Mainstream Hotel, mein Herr?«
    Ich nickte.
    »Gut, kehren Sie dorthin zurück. Der Fall, auf den Sie sich beziehen, liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit des FAM - Fight against Mafia «, erläuterte er angesichts meiner fragenden Miene. »Und das FAM ist im Augenblick mit einer umfangreichen polizeilichen Operation befasst.«
    »Aber ich muss mich stellen, ich werde gesucht.«
    »Kein Problem, mein Herr, das können Sie …«, er blickte auf seine Uhr, »in genau vier

Weitere Kostenlose Bücher