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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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hinausging und im erstbesten Schaufenster mein Spiegelbild mit der weiten rotkarierten Jacke, der hässlichen dunklen Hose, den klobigen Schuhen, der Mütze mit den Ohrenklappen und dem über die Schulter gehängten Plaid betrachtete, dazu den Bart und das ausgezehrte Gesicht, tja, da war ich wirklich ein perfekter, namenloser Stadtstreicher. Als Tüpfelchen auf dem i kaufte ich mir bei einem fliegenden Händler noch eine dunkle Brille - meine hatte ich auf der Flucht verloren -, und nun war ich, der ich mich schon als Jugendlicher geweigert hatte, Apache auf sein On-the-road- Abenteuer zu begleiten, genau zu dieser Art von Existenz gezwungen. Kaum eine Woche zuvor war ich so weit gegangen, mein Leben im Wohlstand an Cybills Seite zu verachten -
was hätte ich jetzt nicht darum gegeben, in jenes häusliche Glück zurückkehren zu dürfen? Der erste Impuls war, mich vor dem Haus ihrer Familie in der Park Avenue in Stellung zu bringen. Wenn sie nach New York zurückkehrte und mich nicht zu Hause antraf, würde sie gewiss dorthin gehen. Aus diesem Grund hatte ich auch den Gedanken aufgegeben, die Stadt zu verlassen - wie hätte ich ihr sonst je wiederbegegnen sollen? Ich stellte mir Cybills Gesicht vor, wenn sie mich so zugerichtet sähe. Derart abgeschnitten von der Welt, wie sie jetzt war, hatte sie von dem, was geschehen war, sicher nichts mitbekommen. Ich selbst würde es ihr erzählen, und die Tatsache, dass ich in den Mord an Frank Cargallo, dem Mafioso Cargallo, verwickelt worden war, gereichte mir sogar zum Vorteil, denn ich hatte eine plausible Erklärung für Onkel Richards Verhalten. Dass ich mich mit Frank angefreundet hatte, war außerdem auch ihre Schuld - genauer gesagt, die ihres Exmannes, Stewart Sheffield. Aber egal. Ich musste mich nur vor Tore hüten. Er wusste natürlich von mir und Cybill und würde dieselben Überlegungen anstellen, vorausgesetzt, er war mit seiner Visage überhaupt imstande, Überlegungen anzustellen. Keinesfalls durfte ich ein Risiko eingehen. Ich erinnerte mich nicht nur an seine Visage, sondern auch an seine Hände und daran, wie stark sie waren; außerdem wusste ich, dass Cybill mindestens bis zur letzten Juliwoche bei Whiteagle Spencer bleiben würde. Deshalb beschloss ich, mich vorerst im Hintergrund zu halten, und schon an jenem Morgen passierte etwas, was ich niemals für möglich gehalten hätte. Während ich so dahinging, kam mir ein elegantes Paar entgegen, und ich streckte, ohne mir viel dabei zu denken, die Hand aus. Die Frau musterte mich mitleidig und stieß ihren Begleiter an, der mir einen Dollar gab. Nun war es amtlich: Ich war ein Bettler geworden.
    Die ersten Tage las ich noch in den Zeitungen über mich. Ich verkörperte die x-te Bestätigung der schlimmsten Vorurteile gegenüber den Italo-Amerikanern. »Mafia und Geschäfte« lautete eine knallige Schlagzeile, gefolgt von Onkel Richards jämmerlichem Verteidigungsversuch: »Carlino Di Lontrone? Ich hatte einen
Neffen dieses Namens, aber ich habe ihn aus den Augen verloren, und glauben Sie mir, das war kein großer Verlust.« Dann nahm die Zeit, die alles verschlingt, ihren Lauf. Die Nachrichten, die mich betrafen, verschwanden nach und nach, und ich verwendete Zeitungen höchstens noch zum Hinternabwischen oder um mich darauf schlafen zu legen: Angewidert von den nächtlichen Furzkonzerten in den Schlafsälen der Heilsarmee, in denen es von jeder Art menschlicher Wracks wimmelte, welche jedoch alle durch die Bank große Furzer waren, hatte ich mich eines Nachts entschieden, mein Plaid auf dem Rasen des Central Park auszubreiten. Schon damals war das ein gefährlicher Ort, aber gefährlich für wen? Ich besaß nichts, was jemanden hätte reizen können, außerdem kam es auch im Schlafsaal fast jede Nacht zu Handgreiflichkeiten, und im Park konnte ich wenigstens frei atmen. Dennoch versteckte ich mich hinter einem Busch und unter dem zwischen den Fialen der Wolkenkratzer aufgespannten Himmelszelt, und obgleich mir die Sterne jetzt wie traurige, weinende Augen vorkamen, gelang es mir zum ersten Mal, seitdem das Unglück über mich hereingebrochen war, ruhig einzuschlafen. Außerdem war der Central nur ein paar Schritte von der Park Avenue entfernt, wo ich mich ab Mitte Juli jeden Morgen aufbaute - ich hatte auch schon versucht, dort zu schlafen, aber es fuhren ständig Polizeiautos vorbei.
    Auch mit dem Essen war es nicht kompliziert. Zu jener Zeit gab es noch keine so große Konkurrenz, und die New Yorker

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