Fernsehkoeche kuesst man nicht

Brahms«, wiederholte er unnötigerweise. Ich überlegte schon, ob ich ihm einen Dämpfer verpassen sollte. Ich könnte fragen, ob er nach dem Erfinder der Heißmangel benannt worden sei oder nach diesem berühmten Rap-Sänger. Leider unterbrach Kuttenkeuler meine Gedanken:
    »Fräulein Henning, Sie werden heute in den urologischen OP gehen. Dann bekommen Sie mal was anderes zu sehen. Eine radikale Prostatektomie hatten Sie wohl noch nie?«, erkundigte er sich.
    »Nicht persönlich«, gab ich zu.
    Johannes Brahms lächelte. Etwas Schwarzes klebte am Rand seines rechten Schneidezahns, was vermuten ließ, dass er Mohnbrötchen gefrühstückt hatte.
    Ich schüttelte mich innerlich und war beinahe froh, als ich später ein bekanntes Gesicht in Form von Klaus im Uro-OP entdeckte.
    Ausnahmsweise verlief auch alles ohne Komplikationen. Der Patient schlief und die Urologen operierten. Im Radio erklang Reggae, was zwar nicht meinem Geschmack entsprach, aber wesentlich besser zu ertragen war als Rammstein. Ich kauerte mich hinter dem Tuch zusammen, das mich vom Operationsbereich trennte, um ungestört meine E-Mails abzufragen. Die ersten zwölf waren überflüssige Facebook-Nachrichten, die ich unbesehen löschte. Claude schrieb eine Frustnachricht, dass sich das mit seiner App ein für alle Mal erledigt hätte, denn eben hatte er im Apple-Shop eine gefunden, die fast identisch war mit derjenigen, an der er seit Wochen arbeitete. Ich lud sie mir direkt herunter, damit ich ihm nachher bestätigen konnte, dass sie ganz großer Mist war und er das bestimmt viel besser hinbekäme als › Bannana Games Inc ‹.  
    Die nächste Nachricht war von Gaby:
     
    Wie ist es bei den feinen Pinkeln? Höhö! Kommst du am Samstag mit zum Sommerfest? Wir könnten uns mit Mai Tai abfüllen und den Oberärzten ungeniert sagen, dass ihr Musikgeschmack scheiße ist. Na?
     
    Ich tippte eine kurze Antwort:
     
    Ok.
     
    Nach einer halben Stunde spritzte ich bei dem Patienten noch etwas Fentanyl nach. Der Chef der Urologen rief: »Wir brauchen mehr Volumen!«, und Klaus hängte eine weitere Infusion an. Dann holte ich das Handy wieder heraus und schrieb:
     
    Aber wehe, du nutzt den Alkoholrausch aus und fasst Straubing an den Po! Ich weiß genau, dass du auf ihn stehst!
     
    Es dauerte keine Minute, da brummte es in meiner Hosentasche.
     
    Der ist verheiratet!
     
    Seine Frau ist letzte Woche ausgezogen. Hat Klaus erzählt.
     
    Er ist viel zu alt!
     
    Du hast sowieso einen Vaterkomplex.
     
    Ich stehe NICHT auf Straubing!!! Spinnst du?
     
    Drei Ausrufezeichen sind ein sicheres Zeichen für einen kranken Geist, sagt Terry Pratchett.
     
    Wer zum Teufel ist Terry Pratchett?
     
    Hast du nie seine Scheibenwelt-Romane gelesen?
     
    Ich lese nur Fachliteratur.
     
    Fachidiot.
     
    Das schrieb ich doch recht barsch zurück, wie ich mir nachher eingestand. Und von Gaby kam lange Zeit keine Antwort mehr.
    Erst als ich am frühen Abend in der Badewanne lag, brummte mein Handy und wanderte dabei über die Ablage der Waschmaschine. Ich war so weit im Schaum versunken (Apfel und Passionsfrucht), dass nur Nase und Stirn herauslugten. Hilflos prustete ich und schnappte erst nach dem Handtuch und dann nach dem Telefon.
    »Erstens«, brüllte Gaby in den Hörer, »ist Terry Pratchett bloß ein Fantasy-Autor, ja? Und zweitens hat Straubing behaarte Oberarme. Ich wette eins zu fünfhundert, dass sein Rücken ebenfalls behaart ist!«
    Wider meine n Willen musste ich lachen. »Dann ist das mit den inneren Werten wohl auch endlich vom Tisch?«  
    »Was denn für innere Werte?«, schnauzte sie. »Der Mann ist bestimmt Ende fünfzig!«
    »Ich hab ja auch nur gesagt, dass du die Finger von ihm lassen sollst.«
    »Du ... du!«
    Ich nickte, was Gaby natürlich nicht sehen konnte.
    »Ach übrigens«, fiel ihr dann ein, »dein Fernsehkoch ist gerade auf Sendung. Und er sieht irgendwie mächtig gequält aus.«
    Ich sprang so schnell aus der Wanne, dass ich mit dem Fuß umknickte und laut aufjaulte. Nur im Bademantel warf ich mich dann aufs Bett und knipste den Fernseher an.

Raphael
     
    Raphael kontrollierte den Sitz seiner Jeans und danach den Reißverschluss, während die hübsche blonde Visagistin bestimmt zum fünften Mal seine Stirn abpuderte. Er fragte sich, ob das mit den Schweißausbrüchen an den Wundschmerzen lag oder am Grummeln in seinem Darm. An Vicky lag es jedenfalls nicht, auch wenn sie ihn bereits zum dritten Mal wie zufällig mit den Brüsten