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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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bestätigte mir, dass Joggen tatsächlich die Durchblutung des Gehirns fördert: Ich würde ihn so lange bequatschen, bis er mir glaubte, dass Durchfall nach einer Blinddarm-OP absolut normal sei.
    Auf Station 5 hatte der Morgenwahnsinn bereits begonnen. Wäschewagen wurden über den Gang gerollt und Patienten aus ihren Betten. Schon von Weitem sah ich, dass Raphaels Zimmertür weit offen stand. Ich betete, dass er sich nicht bitter beim Frühdienst beschwert hatte. Darüber, dass ihm jemand anstatt eines Schmerzmittels Abführmittel gegeben hatte. Darüber, dass ihn nachts im Haus zwei Groupies überfallen hatten. Darüber, dass die Anästhesistin ihm einen Zahn ausgeschlagen hatte. Darüber, dass ... Stopp!
    Keuchend erreichte ich das Zimmer 219, wo eine Schwesternschülerin gerade damit beschäftigt war, den Nachttisch abzuwischen. Dabei fegte sie einen Tropfenbecher vom Tablett. Er kullerte auf den Boden und blieb am Fußende des gähnend leeren Bettes liegen.
    »Ist der Patient im Badezimmer?« Selbst mir fiel die Panik in meiner Stimme auf.
    »Guten Morgen, Frau Dr. Henning! Nein, Herr Richter ist bereits nach Hause.«
    »Nach Hause?«
    »Er ist auf eigene Verantwortung gegangen.«
    »Auf eigene Verantwortung gegangen?«
    Leider neige ich in Stressmomenten dazu, die Antworten meines Gegenübers sinnlos zu wiederholen. Dafür habe ich mehrere Theorien: Die eine ist, dass ich sehr empathisch veranlagt bin und auf diese Art mein Verständnis ausdrücke. Die andere ist, dass ich überhaupt nichts verstanden habe und alles so lange wiederkäue, bis es in meinem Gehirn einen Sinn ergibt. Diese beiden Möglichkeiten überzeugen mich aber nicht. Deshalb muss es eine dritte sein. Nämlich, dass in meinem Kopf ein Papagei lebt, der in Paniksituationen meinen Körper übernimmt.
    »Aber er wurde doch erst gestern operiert!«, rief ich aus.
    »Ich weiß, aber er war schon weg, als ich zum Frühdienst gekommen bin. Schwester Margot hat gesagt, dass er sich noch in der Nacht verabschiedet hat, weil er hier nicht die nötige Ruhe finden könne, um sich zu erholen. Außerdem will er heute noch auf Sendung.«
    »Will heute noch auf Sendung?«
    »Er macht doch diese Kochshow im WDR. Kennen Sie die nicht? Die ist wahnsinnig erfolgreich. Mich ärgert das auch total. Ich wollte unbedingt noch ein Autogramm von ihm. Außerdem habe ich schon Jenny und Sonja davon erzählt. Toll, wenn ich nachher nichts vorzuweisen habe, dann glauben die mir kein Wort. Jenny wird bestimmt stinksauer sein!«
    »Jenny wird stinksauer sein?« Es dämmerte in meinem Hirn. »Wer ist Jenny?«
    »Meine Mitbewohnerin.«
    »Oh«, sagte ich und kratzte mich an der Nase. Mitbewohnerinnen konnten ganz schön ungemütlich werden, da kannte ich mich aus.
    »Auf dem Anamnesebogen steht seine Unterschrift. Vielleicht könnten Sie die einfach fotokopieren?«
    Ihr Gesicht erhellte sich. »Das ist die Idee! Soll Jenny da mal was gegen sagen . Sie hatte neulich bloß diesen Minister. Ich meine, wer will schon Steinbrück, wenn er einen Fernsehkoch haben kann?« Kopfschüttelnd schob sie Raphaels Bett aus dem Zimmer.  
    Ich kam natürlich zu spät zur Visite. Es fiel aber nicht weiter auf, weil Kuttenkeuler gerade Dr. Brahms bauchpinselte. Einen Honorararzt, der nur tageweise einsprang und damit ein Heidengeld verdiente. Ich sah ihn heute das erste Mal. Vermutlich hatte Kuttenkeuler es sich in den Kopf gesetzt, ihn abzuwerben, und schleimte sich deshalb bei ihm ein. Brahms dachte das anscheinend auch, denn er bewegte sich wie eine Schildkröte, kurz bevor ihr Kopf im Panzer verschwindet. Mit faltigem Hals und winzigen, zusammengekniffenen Augen. Er grunzte zur Bestätigung, als mein Chef seine Handlungsweise bei einer Intensivpatientin lobte, und das nicht gerade musikalisch. Warum ausgerechnet er einen solchen Nachnamen hatte, konnte ich mir nicht erklären. Ich wusste nur, meine Mutter dürfte niemals von diesem Kollegen erfahren, sonst würde sie mir in den Ohren liegen, dass Männer, die Brahms hießen, bestimmt hervorragende Ehemänner abgäben. Als hätte Brahms meine Gedanken gelesen, hob er den Kopf und zwinkerte mir zu. Wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob er wirklich zwinkerte, vielleicht hatte er auch nur was im Auge.
    »Ich bin übrigens Johannes«, sagte er und streckte mir seine Hand hin.
    »Oh mein Gott«, hauchte ich. Das konnte doch wohl nur ein Scherz sein! Er missdeutete meinen Ausspruch wohl, denn sein Hals schwoll an vor Stolz.
    »Johannes

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