Fernsehkoeche kuesst man nicht
Augenblick, um ihr Arrangement zu vervollkommnen:
Sie raschelte unter dem Tisch und ließ dann zwei Raffaello-Kugeln rechts und links neben die Möhre plumpsen.
Das war unverkennbar ein Phallus-Symbol. Sowohl der Kellner als auch ich atmeten hörbar ein.
Jetzt war es ohnehin schon egal. Und da ich wirklich außerordentlich hungrig war und bei dieser Süßigkeit wenigstens sicher sein konnte, dass sie nicht vergiftet war, spießte ich eine davon mit der Dessertgabel auf und stopfte sie mir im Ganzen in den Mund.
Ich kaute.
Der Kellner schluckte.
»Waffen ffie!«, rief ich mit vollem Mund aus, als er sich davonstehlen wollte. Hastig würgte ich die Süßigkeit hinunter. »Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?«
»Jonas.«
Ich zog den Briefumschlag mit meiner Entschuldigung aus der Tasche. »Jonas, könnten Sie das bitte Ihrem Chef geben?«
»Gibt es etwas zu beanstanden? Waren Sie mit dem Essen nicht zufrieden? Oder mit dem Service?« Seine Hand, die den Brief nahm, zitterte leicht.
»Das ist etwas, äh, Privates«, wich ich aus.
Als er verschwunden war, beschwerte ich mich als Erstes bei Gaby. »Was sollte das mit den Raffaellos ?«, fauchte ich. »Hast du gesehen, wie dieser Jonas mich angeguckt hat? Der hält mich jetzt bestimmt für eine Irre!«
»Wobei er damit gar nicht so unrecht haben dürfte«, wandte meine Schwägerin ein. »Schließlich verdirbst du dir selbst aufgrund eines Hirngespinstes diesen schönen Abend. Ein wenig irre ist das schon.«
»Was soll denn an diesem Abend schön sein? Das ist sowas von peinlich. Stell dir vor, mein Chef hätte das mitbekommen!«
Brahms unterbrach uns. »Auch wenn es gerade nicht der richtige Augenblick zu sein scheint: Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, dass man mir Viehhöfers Stelle angeboten hat. Demnächst werde ich also Ihr Oberarzt sein.«
Mir hing der Atem in der Kehle fest. Irgendwo zwischen Stimmlippen und Kehldeckel.
»Aber ich nehme Ihnen und Ihrer Freundin diesen kleinen Scherz in keiner Weise übel.« Er tätschelte beruhigend meinen Arm.
»Das ist wirklich kein Grund, sich aufzuregen«, fügte Silke noch hinzu. Diese unerwartete Gelassenheit musste dem üppigen Essen geschuldet sein. Catwoman räkelte sich genüsslich und putzte sich das Fell.
»Finde ich auch«, meinte Gaby.
»In der Tat«, sagte Brahms.
»Außerdem«, Silke deutete mit ihrem Kinn in Richtung Küche, »hast du jetzt ganz andere Probleme.«
»Stimmt«, sagte Gaby.
Brahms nickte.
»Wieso?«
»Guck doch mal!«
»Ja«, bestätigte Gaby. »Dreh dich mal um!«
»Oha«, machte Brahms.
Ich wandte mich um und erstarrte.
Meine Vorstellung von einem Fernsehkoch reinkarnierte.
Insgeheim hatte ich mich schon gefragt, ob Raphael einen weißen Kittel tragen würde, oder eine dieser hässlichen Kochmützen. Nun, jetzt kannte ich die Antwort:
Er trug keine Mütze.
Es war aber auch gut möglich, dass er sie sich gerade erst vom Kopf gerissen hatte, denn sein Haar stand ihm wieder einmal völlig zerzaust vom Kopf ab. Er steckte zwar in einer Kochjacke mit unendlich vielen Knöpfen, doch war seine schwarz. Um den Hals trug er ein geknüpftes Tuch in den grünen Raphaello-Farben. Auf den Wangen dafür ein kräftiges Rot. Seine linke Hand krampfte sich um einen Zettel. War das etwa mein Brief?
Er sah irgendwie wütend aus.
Es ist nicht übertrieben, wenn ich gestehe, dass mir in diesem Moment die Kehle echt eng wurde.
Raphael
»Sie hat dich an den Eiern«, sagte Jonas. »Raffaello-Eiern!«
Raphael hörte gar nicht genau hin. Er konnte es einfach nicht fassen, dass sie sein Lamm nicht einmal angerührt hatte.
Es schien beinahe, als wäre diese Ärztin seine persönliche Heimsuchung. Den ausgeschlagenen Zahn hatte er einigermaßen gut verdaut. Der nächtliche Besuch im Krankenhaus fiel dann unter die Kategorie »Groupie« und auch den Auffahrunfall hatte er für einen herzhaften Versuch gehalten, ihn anzubaggern. Dass sie aber nun sein Essen verschmähte, das ging eindeutig zu weit! Und es passte auch gar nicht in das Bild, das er sich von einem Groupie machte. Er hatte eigentlich erwartet, dass sie ihn umschmeicheln würde wie alle anderen. Dass sie seine Kochkunst loben und seine Nähe suchen würde. Stattdessen hatte sie das Essen zerrupft wie einen welken Salat.
Sie hatte sein Lamm abgewiesen!
Das kam unverkennbar einer Beleidigung gleich.
»Hat sie die Polenta gegessen?«, fragte er deshalb in einem viel zornigeren Ton als beabsichtigt.
Man konnte Jonas
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