Fernsehkoeche kuesst man nicht
denn?«, blaffte er statt einer Antwort und schubste mich den Gang entlang.
Die Beleuchtung ließ zu wünschen übrig. Der Flur schien zwar penibel sauber zu sein, doch hockten in meiner Fantasie grundsätzlich ganze Spinnenlegionen in der Dunkelheit. Es roch selbst hier unten nach Essen. Aber anstelle der Gerüche wäre ich viel lieber den Schmetterlingen gefolgt.
Ich hätte mich auch gerne wie ein Esel gegen den Boden gestemmt, doch bot der Fliesenbelag zu wenig Halt. Außerdem wollte ich Raphael nicht noch mehr verärgern.
»Habe ich mich irgendwie missverständlich ausgedrückt?«, fragte ich Raphael, der daraufhin abrupt stehen blieb.
»Inwiefern?«
»Der Brief war wirklich ernst gemeint.«
»Meinst du etwa diesen Wisch hier?« Er wedelte mit meinem Schreiben in der Luft herum.
»Wieso? Was stimmt damit nicht?«
»Eine Rechnung über 500 Euro ist also deine Art, um Entschuldigung zu bitten?« Er ließ endlich meine Hand los, faltete den Zettel auseinander und las laut vor: »Mit der Bitte um sofortige Begleichung, Josephine Henning!« Mühsam drosselte er seine Stimme. »Was soll das? Schließlich bist du mir in das Heck gekracht, nicht ich dir!«
»Uff«, stöhnte ich. Mir wurde auf einmal ganz heiß. Und dass Raphaels Blick sich so in meinen brannte, machte die Sache nicht besser. »Da muss ich wohl die Briefe vertauscht haben.«
»Wer’s glaubt!«
»Wirklich!«, beteuerte ich und entriss ihm das Schreiben. »Die Rechnung war selbstverständlich für die Versicherung gedacht. Ich wollte mich ehrlich entschuldigen. Und nicht nur dafür, dass ich dir den Zahn abgebrochen habe. Obwohl mir das natürlich besonders leidtut.« Jetzt kam ich in Schwung. »Ich stand ziemlich unter Druck, und außerdem war das mein erster 24-Stunden-Dienst. Ich war einfach überfordert, da kann sowas schon mal passieren. Das mit deinem Auto tut mir wirklich wahnsinnig leid! Und mit den Tropfen, das hätte ich nie gemacht, wenn du mich nicht provoziert hättest.«
»Den Tropfen?«, unterbrach er mich.
»Ja, den Tropfen.«
»Was denn für Tropfen?«
»Na, die Abführtropfen, natürlich. Ich dachte –«
»Abführtropfen?«, keuchte er. Sein Blick umwölkte sich. »Deshalb also –« er schlug sich an die Stirn.
Verflixt!
»Das ist, äh, im Affekt passiert. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon am nächsten Tag frühzeitig nach Hause gehen würdest. Und es tut mir auch unheimlich leid, dass sie ausgerechnet bei deiner Livesendung –«
»Abführtropfen!«, japste Raphael erneut. Sein Gesicht wirkte plötzlich irgendwie düster. Wenn ich ehrlich bin, dann war es ein sattes, dunkles Rot.
»Verzeihung!«, sagte ich und versuchte damit, das Ruder noch herumzureißen. Aber er presste mich gegen die nächste Tür. Seine breite Brust an meiner zu spüren war nicht so unangenehm, wie ich es in dieser Situation erwartet hätte. Ob es im Marianengraben eigentlich Haie gab? War ja schließlich der Pazifik, oder? Zumindest schwamm etwas Gefährliches, Haiähnliches in Raphaels Augen herum, daran bestand kein Zweifel.
»Ich muss«, er atmete schwer, »mich … einen Moment … abkühlen!« Er betätigte einen Hebel in meinem Rücken, und der Widerstand hinter mir gab nach.
Er stieß mich in den angrenzenden Raum, und die Tür schloss sich zwischen uns.
Tja, und da war ich nun.
In der Kälte.
Ich fragte mich allerdings, ob Raphael sich nicht auf der falschen Seite befand. Wenn er sich unbedingt abkühlen wollte, warum musste ich dann jetzt frieren?
Meine Finger tasteten über die Wandfliesen nach einem Lichtschalter. Die Leuchtstoffröhren blinzelten mehrmals, bis sie schließlich grell aufleuchteten und damit das ganze Elend meiner Situation offenbarten.
Raphael
Schwer atmend lehnte sich Raphael an die Tür.
Abführtropfen!
Das waren wahrlich Tropfen, die ein Fass zum Überlaufen bringen konnten.
Er fühlte sich gedemütigt. Nicht nur, dass sie ihm dieses Zeug verabreicht hatte, wohl wissend, was sie bewirkten, nein, sie hatte auch noch seinen Auftritt im Fernsehen mit der Erkenntnis verfolgt, was in seinen Eingeweiden vorging. Noch in der Erinnerung an diese Krämpfe wand er sich.
Das würde sie ihm büßen!
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und überlegte, wie lange er sie im Kühlraum frieren lassen musste, bis diese Schmach auch nur zu einem Bruchteil gesühnt wäre. Vermutlich würde die Stromversorgung von ganz Köln dazu nicht ausreichen.
Allerdings – es war wirklich kalt da drin. Ziemlich
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