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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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genau fünf Grad, und Josephine trug nur einen kurzen Rock, was er eben ausführlich in Augenschein hatte nehmen können. Der dünne Pullover hatte auch nicht danach ausgesehen, als könnte er sie lange warmhalten, dazu war er zu weit ausgeschnitten. Sicher hatte sie bereits jetzt überall Gänsehaut.
    Sein Herz hüpfte unregelmäßig. Er sah erneut auf die Uhr.
    Josephine hatte noch nicht einmal geschrien oder um Hilfe gerufen, was er äußerst seltsam fand. Für eine Frau.
    Zwei Minuten schon. Raphael lehnte sein Ohr an die Tür und horchte. Kein Laut drang durch die dicke Isolierschicht.
    Spontan beschloss er, seine Rache zu reduzieren. Eine halbe Stunde würde sie wohl ausreichend leiden lassen. Und überhaupt: Es war doch möglich, dass ihr mit dem Brief wirklich nur ein dummer Fehler unterlaufen war. So groß war die Beule an seinem Bus auch wieder nicht. Außerdem war das schließlich nur ein Auto; für ihn ein schlichtes Arbeitsmittel, um Waren zu transportieren. Nie käme er auf den Gedanken, ein seelenloses Stück Blech einem Menschen vorzuziehen. Und eigentlich schienen ihm schon zehn Minuten genug der Revanche.
    Sein Sekundenzeiger tickte träge. Ob er seine Uhr mal wieder neu einstellen lassen sollte? Er zählte im Geiste mit: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Nein, so schleppend ging sie sonst nie.
    Scheiß auf die Minuten! Wenn der Sekundenzeiger auf der Sechs wäre, dann würde er die Tür öffnen, entschied er. Nicht, dass sie sich eine Erkältung zuzog, oder womöglich noch Schlimmeres.
    Noch zehn Sekunden.
    Seine Hand umfasste bereits den Türhebel, als er Schritte auf dem Gang vernahm.
    »Da bist du ja!«, sagte Evie. »Ich habe dich schon überall gesucht. Einige Gäste möchten sich persönlich von dir verabschieden. Was machst du da eigentlich?«
    Raphael unterdrückte einen Fluch und ließ die Klinke los. »Ich … musste nur noch … ein Stück Fleisch in die Kühlung bringen«, murmelte er.

Kapitel 17
     
    Brrrr, war das kalt!
    Das flackernde Neonlicht erstarrte und erhellte einen Raum voller Metallregale. Und eine Tür, die auf der Innenseite keinen Griff besaß.
    Dutzende Kisten beherbergten Früchte aus aller Welt. Tierhälften baumelten von der Decke und aus einem Regal glotzten mich Fischaugen an.
    Dass am Schluss immer ein Kühlhaus kommt, war mir als Ärztin eigentlich völlig klar gewesen. Schließlich enden wir alle einmal mit einem Etikett am dicken Zeh. Aber dass Raphael ausgerechnet diese Todesart für mich ausgesucht haben sollte, erschien mir unlogisch. Es würde Stunden dauern, bis mich die Kälte so geschwächt hätte, dass ich müde auf den Fliesen zusammenbrach. Ich hätte (und dieser Gedanke war besonders betrüblich) Raphaels köstliches Menü also bedenkenlos essen können.
    Er war wirklich wütend, daran bestand kein Zweifel. Und weil er allen Grund dazu hatte, verkniff ich es mir auch, um Hilfe zu rufen. Die massive Tür ließ das ohnehin sinnlos erscheinen. Und insgeheim rechnete ich auch damit, dass Raphael nach mir sehen würde, sobald er sich beruhigt hatte.
    Dass ich die beiden Briefe vertauscht hatte, war zwar sehr peinlich, aber nun nicht mehr zu ändern. Deshalb verdrängte ich jeden weiteren Gedanken daran und rubbelte mir über die Oberarme. Leider hatte ich keine Uhr dabei, und auch mein Handy schlummerte in der Handtasche, die über meiner Stuhllehne hing. Ich schätzte, dass ich mindestens schon fünf Minuten hier ausharrte.
    Als meine Beine anfingen zu zittern, hüpfte ich auf der Stelle, um mehr Wärme zu produzieren. In meinem Kopf sang P!nk hemmungslos von Feuer und Begierde.
    Hatte die eine Ahnung! Ich spürte ganz schön viel Verlangen in mir, aber von einer Flamme war keine Spur zu entdecken. So gesehen war Raphaels leidenschaftliche Wut gar nicht schlecht. Man müsste sie nur in andere Bahnen lenken, überlegte ich.
    Ich tänzelte auf der Stelle und ruderte mit den Armen. Meine Choreografie ließ einiges zu wünschen übrig, aber wenigstens hörte das starke Zittern kurzfristig auf.
    Ich erfand Namen für meine Tanzschritte: »Der doppelte Leberlappen« und »Der harte Lymphknoten«. Wäre ich begabter in Eurythmie (und Waldorfschülerin), dann hätte ich versucht, ein Elektrokardiogramm nachzutanzen.
    Gerade als ich eine Pirouette drehte und breitbeinig und wenig elegant in der Position »Hüftdysplasie« landete, ging die Tür auf. Sofort zog warme Luft ins Innere. Leider kam nicht Raphaels blonder Schopf zum Vorschein, sondern der

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