Fessel Mich
geistigen Abwesenheit? Dann hoffe ich für dich, dass sich das damit erledigt hat und du dich wieder voll auf dein Studium konzentrieren kannst. – Oder war das gar irgendein anderer Kerl, der dich ablenkt ?«
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. »Nein, es war schon der Richtige«, entgegnete ich scharf. »Außerdem besteht das Problem darin, dass ich ihn mag und dass er jetzt wahrscheinlich kein Wort mehr mit mir reden wird.«
Mein Vater sah sich in seinen Ansichten vollkommen bestätigt und nickte. »Weil er hat, was er wollte. Ich sagte dir bereits, dass er mir ein kluger Mann zu sein scheint, trotz… allem. Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen und aufhören, dich in irgendwelchen Gefühlen zu verrennen.«
»Dein Vater hat Recht, Schatz.« Völlig unbeteiligt zupfte sie ein imaginäres Hundehaar oder Staubkörnchen oder was auch immer von ihrer blütenweißen Leinenhose. »Halte dich nicht mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten auf, wenn es um die Leitung einer Firma geht. Du kannst dir keine Unachtsamkeit erlauben.«
»Himmel.« Verständnislos schüttelte ich den Kopf. »Ihr müsstet euch mal reden hören. Es dreht sich nicht immer nur alles um die Firma!«
»Das sollte es aber.«
Ich biss die Zähne hart aufeinander. Als würde man gegen eine meterdicke Mauer anbrüllen. »Ich habe ernsthafte Absichten auf Rick«, versuchte ich, ihnen ganz ehrlich klar zu machen. Ich wusste zwar nicht, wie Rick dazu stand, aber für mich war die Sache klar. Nur befürchtete ich, dass ich das ihm eben mit dem verbalen Rauswurf nicht wirklich klar gemacht hatte.
»Ach!« Mein Vater machte eine ruckartige, verneinende Kopfbewegung. »Ich bitte dich, Florian! Das ist doch Unsinn! Wie stellst du dir das denn vor?«
»Was genau meinst du denn?«, wollte ich hitzig wissen und mahnte mich gleichzeitig innerlich zur Ruhe. Es brachte überhaupt nichts, meinem Vater mit überschäumendem Temperament zu begegnen, weil er dann für gewöhnlich der Ansicht war, dass man so nicht vernünftig diskutieren konnte. Und eine vernünftige Diskussion mit ihm zu führen, war ohnehin schon schwierig genug, da es für ihn stets nur eine einzig richtige Meinung gab – und das war seine eigene.
Wie bereits befürchtet, hob er als Reaktion auf meine unbedachte Antwort die vernichtende Augenbraue. »Wenn du nicht so aufbrausend wärst, würdest du das Problem sicherlich erkennen«, versetzte er kühl. »Willst du mit ihm zusammen zu Dinnerpartys führender Forscher und weltbekannter Ärzte gehen? Zur Einweihung neuer Krankenhausabteilungen? Zu Interviews, wenn ein neues Medikament freigegeben wurde?«
»Ja, warum nicht?« Zu spät biss ich mir auf die Zunge, aber da war die Provokation schon raus. Schnell wollte ich noch etwas retten, indem ich ruhiger, aber unüberlegter fortfuhr: »Außerdem fügt er sich perfekt in diese Umgebung ein. Er studiert Medizin.« Fast kam ich mir albern dabei vor, meinen Eltern Rick aus so plumpe Art und Weise schmackhaft zu machen, zumal ich doch wusste, dass er seine ganz eigenen, viel komplexeren Gründe hatte, diesen Studiengang zu wählen. Außerdem brauchte ich die Zustimmung meiner Eltern nicht mehr, auch wenn ich sie manchmal ganz gerne noch gehabt hätte. Aber seit meinem Outing war es schwer, es ihnen recht zu machen.
Und auch dieses Mal hatte ich eindeutig versagt, denn meine Mutter riss die Augen auf und stieß ein mitleidiges: »Oh, Schatz!«, aus, während mein Vater mit grimmig verzogenem Mund nickte. »Ich wusste es. Herrgott, dass du dich sehenden Auges so ausnutzen lässt.«
Ausnutzen? Sie dachten doch nicht etwa…?
Ach du Schreck!
»Nein«, wehrte ich sofort ab und schüttelte vehement den Kopf. Himmel, wie konnten sie denn nur so was von Rick denken? Er hatte sich ganz allein dieses Ziel gesetzt, damit er anschließend diejenigen belächeln konnte, die ihn immer belächelt hatten – zumindest symbolisch betrachtet – und er würde sich seinen Triumph garantiert nicht dadurch zunichte machen lassen, dass er sich mit irgendwelchen unlauteren Mittelchen nach oben schob. »Nein, das ist es nicht. So denkt er nicht.«
Mein Vater stieß ein abwertendes Schnauben aus. »Natürlich denkt er so. Er musste den Namen Klippstein wahrscheinlich nur einmal hören und schon war die Sache für ihn klar. Florian, überleg’ doch mal. Du hast das Geld, du hast die Beziehungen, du hast die Position und du hast dich bereits von ihm um den Finger wickeln lassen. Du bist ein gefundenes Fressen
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