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Fesseln der Erinnerung

Fesseln der Erinnerung

Titel: Fesseln der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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stellen, um den mörderischen „Zug“ in der Persönlichkeit der J-Medialen zu übersehen. Natürlich konnte man ihnen nie etwas nachweisen, selbst wenn ein Polizist sich trotz der Straftaten der Individuen, die sich die J-Medialen aussuchten, dazu bemüßigt fühlen sollte, genauer nachzuforschen. Doch der J-Medialen-Dienst sorgte selbst für Ordnung – denn es war nicht gut für sein Image, wenn Mitglieder des Dienstes in aller Öffentlichkeit dem Wahnsinn verfielen.
    Als ihm das durch den Kopf ging, verspürte Max eine gewisse Unruhe bei der Vorstellung, Sophia Russo könne allmählich wahnsinnig werden. „Warum hat man sie nicht schon längst vom aktiven Dienst abgezogen?“ Das kam schärfer heraus, als es sollte.
    Bart hatte zum Glück nichts bemerkt. „Sie erledigt ihre Aufgabe als J-Mediale sehr, sehr gut“, antwortete er. „Doch auch sie hat ein Verfallsdatum. Irgendwann in nächster Zeit wird sie genauso wie all die anderen J-Medialen verschwinden, die ich durch meine Zusammenarbeit kennengelernt habe.“
    Der Wagen bog in das Auf und Ab der Straßen von San Francisco ein, und Max dachte an die letzten Sätze von Sophia Russo. Er spürte, wie Wut in ihm aufstieg bei der Vorstellung, sie habe tatsächlich so etwas wie ein „Verfallsdatum“.
    Sophia setzte sich. Ihr Gegenüber war eine Frau mit exotischem Äußeren, die vielleicht den Befehl zu ihrer endgültigen Rehabilitation unterzeichnen würde, sobald sie hier nicht mehr gebraucht würde. Diese Tatsache hätte sie, wenn auch nur intellektuell, beunruhigen sollen, aber im Augenblick berührte sie kaum etwas.
    So kurz nach einer Rekonditionierung, mit vollkommen klarem Geist, waren bestimmte Dinge nicht zu leugnen: Ihre Schilde im Medialnet waren felsenfest – aus dem einfachen Grund, weil alle J-Medialen gnadenlos darauf getrimmt wurden, diese Fähigkeit meisterlich zu beherrschen – , aber die Schilde, die sie telepathisch vor den Gedanken anderer abschirmten, waren dünn wie Papier. Alles Mögliche konnte zu einer zerstörerischen Welle für sie werden.
    Das konnte von Schock über geistige Verwirrung bis zum Tod reichen.
    Ratsfrau Nikita Duncan hob die Augen von der Akte auf ihrem Schreibtisch in dem Moment, als Sophia gerade zu dem Schluss gekommen war, dass ihr ein schneller Tod lieber als der psychische Zusammenbruch wäre. Es war besser, schnell und schmerzhaft zu sterben, als geschwächt auf die Gnade derjenigen angewiesen zu sein, die selbst keine Gnade kannten. Einmal in ihrem Leben war sie hilflos gewesen – das durfte nie wieder geschehen.
    „Ms Russo.“ Nikita Duncan sprach sehr artikuliert. „Meinen Informationen nach hatten Sie heute früh einen Gerichtstermin?“
    „Ja, um neun“, antwortete Sophia prompt. „Um halb elf war ich fertig und habe mich auf den Weg hierher gemacht.“
    „Dann hatten Sie also Gelegenheit, die Akte zu lesen, die ich Ihnen als Anhang hatte zukommen lassen?“
    „Ja, ich bin sie während des Fluges durchgegangen.“ Sie sagte nicht, dass sie die meiste Zeit das digitale Bild angeschaut hatte, das einen Mann zeigte, von dem sie angenommen hatte, ihm nie mehr im Leben zu begegnen.
    Es war Anfang des Jahres aufgenommen worden, und so, wie es aussah, hatte der Fotograf auf den Auslöser gedrückt, kurz nachdem Max Shannon über irgendetwas gelacht hatte, seine leicht schräg gestellten Augen leuchteten. Was für ein Unterschied zu dem grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht, als sie zusammen vor dem Fenster zum Vernehmungsraum in Wyoming gestanden hatten.
    „Haben Sie irgendwelche Fragen?“, wollte Nikita wissen.
    „Im Augenblick nicht – mein Auftrag ist sehr klar und einfach.“ Wenn man einmal davon absah, dass sie dabei mit einem Menschen zusammengespannt sein würde, der sie an Dinge denken ließ, die nicht nur unmöglich, sondern so völlig unvorstellbar waren, dass sie sich fragte, ob sie nicht jetzt schon dem Wahnsinn verfallen war.
    Nikitas Blick wurde hart und schneidend wie schwarzer Diamant. „Bevor wir fortfahren, möchte ich eines klarstellen – solange Sie für mich arbeiten, darf es keine ‚ Zwischenfälle ‘ geben.“
    „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Ratsfrau Duncan.“ Sophias Gesicht zeigte keine Regung – das war Fassade, aber eine Fassade, die sie ein wenig länger am Leben erhalten würde. Lange genug zumindest, um noch einmal mit Max Shannon zu reden und herauszufinden, was an ihm an vergessene Schichten ihrer Seele, ihrer Persönlichkeit rührte und sie zum

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