Fesseln der Freiheit: Erotischer Roman (German Edition)
Firmenteil in Glasgow«, verbesserte sie sich und legte die Finger um den Kaffeebecher. Die Keimzelle des kleinen Imperiums, das ihr Großvater aufgebaut und ihr Vater meisterlich verwaltet hatte. Der Teil, an dem das Herz ihres Vaters am meisten hing, weil es einer der wenigen verbliebenen Industriebetriebe in Glasgow war.
»Na, Ihnen wird schon etwas einfallen.« Cherie zuckte mit den Schultern. »Ein Anruf kam vorhin für Sie rein, von einem gewissen Wertinger. Er behauptet, er würde Sie kennen. Ich habe ihn abgewimmelt.«
Tony schickte sie mit einem bestätigenden Nicken weg und schob den Kaffee zur Seite. Darunter häuften sich Papiere mit schier endlosen Zahlenreihen und irgendwelchen, kaum entzifferbaren Notizen. Sie brauchte eine gewisse Menge an Chaos, obwohl die meiste Arbeit digital geschah. Also hob sie einfach alle möglichen Papiere auf, die ihr vor die Nase gesetzt wurde, egal ob sie sie noch einmal brauchte oder nicht.
Wieso rief er an? Höchstwahrscheinlich brauchte die Forschungsabteilung mehr Geld. Das war nichts Neues. Dass sie Wertinger vorschickten, war auch nicht gerade ungeschickt in Anbetracht dessen, dass er eine Einladung auf das alljährliche Firmenfest bekommen hatte. Tony seufzte auf und aktivierte den Bildschirm. Der Computer hatte sich bereits in den Ruhezustand versetzt, und sie nutzte die erzwungene Pause, um sich auf ihren Kaffee zu konzentrieren.
Und alle Gedanken an Wertinger zu vertreiben.
***
Kaum war das System hochgefahren, blinkte ihre Mailbox auf. Die Absender waren die üblichen Verdächtigen – Banken, Investoren und ihr Anwalt. Dass MacMillan & Co., Glasgow, bald zum Verkauf stehen würde, davon sangen alle Vögel auf den Dächern.
Sie wollte die erstbeste dieser Mails öffnen, als ihr Blick auf eine Nachricht mit firmeninternem Absender fiel. Es war tatsächlich Wertinger, der nach der Abfuhr am Telefon offensichtlich nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als sie per Mail mit seinen Finanzierungslücken zu belästigen.
Wie von selbst glitt der Mauszeiger auf diese Nachricht. Unwillkürlich hielt Tony den Atem an.
Liebe Tony,
schade, dass Sie gerade nicht erreichbar sind. Es tut mir leid, dass ich an besagtem Abend die Kontrolle verloren habe. Ich wollte Sie nicht verletzen.
Ihr Mikael
Sie musste die Nachricht dreimal lesen, ehe sie verstand, was er ihr sagen wollte. Es war vollkommen absurd, dass irgendjemand sich nach einer Woche wegen eines abgebrochenen One-Night-Stands meldete, oder? Tony wusste nicht, ob sie über seine unbeholfene Art lachen oder ihn deswegen unbeschreiblich süß finden sollte. Dann las sie die Nachricht noch ein viertes Mal. Oder rechnete er damit, dass er mit diesem Verhalten ihr Interesse weckte? Er wusste sicherlich, dass sie verlobt war. Sie beschloss, diese aufsteigende Verwirrung zu ignorieren. Er wollte wahrscheinlich nur nett sein, das war alles.
Sie löschte die Nachricht, griff nach dem Telefon, um in Jons Büro etwas Druck zu machen, und las nebenbei die neusten Kreditangebote ihrer Hausbank. Das Übliche eben, wenn man versuchte, einen Familienkonzern zusammenzuhalten.
***
Schon als sie den Schlüssel im Schloss herumdrehte, roch sie Reis, Fisch und Erdnusssoße. Sie schob die schwere Eingangstür auf und legte ihren currygelben Mantel ab. Die Tasche flog einfach unter die Garderobe. Eilig schlüpfte sie aus den Schuhen und öffnete die Tür zum Wohnraum.
Ihre Londoner Wohnung, die sie mit Jon teilte, war ein echter Glücksfall. Nahe genug an einer U-Bahn-Station gelegen, weit genug von der Straße weg, um nicht zu laut zu sein, und dazu hell und geräumig. Und bezahlbar. Der glänzende Parkett passte zu den reinweißen Wänden und den Designermöbeln, die Jon ausgesucht hatte. Alles passte hier perfekt zueinander, war aufeinander abstimmt bis ins letzte Detail. Der schwarze Esstisch mit den acht Stühlen bildete das Zentrum des Raumes, wohingegen die Couch sich zurücknahm und mit der Wand verschmolz. Jon meinte, es wäre so besser, wenn sie Freunde einluden, oder auch einen seiner Anwaltskollegen mitsamt Lebensgefährtin und anderem Anhang. Ihr war es damals herzlich egal gewesen, solange sie nur endlich aus dem Collegezimmer herauskam und mit Jon zusammenziehen konnte.
Die Regalwand trennte das Wohnzimmer von der halb offenen Küche. Sie bog um die mattglänzenden Regale herum und räusperte sich leise.
»Da bist du ja endlich, Darling.« Jon drehte sich nicht zu ihr um, sondern rührte weiter in einem der Töpfe.
Weitere Kostenlose Bücher