Fesseln der Leidenschaft
würde, wenn Ranulf erfuhr, daß er seine Pflicht getan und das von Reina geforderte Kind gezeugt hatte. Bisher hatte sie seine sexuellen Leistungen nur empfangen, weil er die Bedingungen des Ehevertrages korrekt erfüllen wollte. Auf das lustvolle Vergnügen würde sie nun verzichten müssen, und damit auch auf das Gefühl der Nähe, das sie ihrem Mann gegenüber entwickelt hatte. Als sie beschlossen hatte, den Sex zu genießen, solange er ihr zuteil wurde, hätte sie nie gedacht, daß es niederschmetternd für sie sein würde, wenn Ranulf nicht mehr mit ihr schlief.
Sie überlegte, ob er sie wieder in ihr altes Zimmer zurückschicken und wie lange es dauern würde, bis er eine Geliebte hatte. Sie überlegte auch, ob sie ihm verzeihen und ihn wieder akzeptieren könnte, wenn es Zeit war, das nächste Kind zu zeugen, denn sie hatte Kinder, nicht nur ein Kind, zur Bedingung gemacht. Die vielen Überlegungen trieben sie fast in den Wahnsinn. Gütiger Himmel, das alles hätte sie gar nicht betreffen dürfen. So hatte sie sich ihr Eheleben nicht vorgestellt! Aber sie hatte sich auch nicht vorgestellt, soweit zu kommen, daß sie selbst Lust empfand, tiefe, unersättliche Lust, und dazu noch auf ihren Ehemann.
Sie war selbstsüchtig gewesen, ihm nichts von dem Baby zu sagen. Es konnte für Ranulf nicht leicht gewesen sein, ihr die ganze Zeit treu zu bleiben – und daß er treu war, auch bei seiner Abwesenheit von Clydon, das glaubte sie. Ein Mann, der zurückkehrte und sofort mit seiner Frau ins Bett ging, ohne Rücksicht auf die Tageszeit, und der dann Stunden mit Zärtlichkeiten verbrachte, der hatte sein Vergnügen nicht anderswo gefunden. Wie sie das vermissen würde – und vieles mehr!
Reina war von diesen trostlosen Gedanken so bedrückt, daß sie die Besucher kaum bemerkte, die ihren Weg kreuzten und auf das Wohngebäude zugingen. Die Leute beachteten sie ihrerseits auch nicht. Das war nicht erstaunlich. Reina hatte ihr ältestes Kleid angezogen, als die Bierfrau ihr berichtet hatte, sie habe das Miauen von Katzen hinter den Bierfässern gehört. Da Reina darauf verzichtete, eine Dienerschar zu rufen, um die riesigen Fässer zu verrücken – dabei hätten die Tiere ja zerquetscht werden können –, blieb ihr nur eines übrig: Sie mußte auf die gestapelten Fässer klettern und herumkriechen, bis sie in einem engen Zwischenraum die Mutterkatze, Lady Ella, und ihre Jungen entdeckte. Natürlich war Reina nun mit Staub und Schmutz bedeckt, aber wenigstens wußte sie, daß es Ranulfs Lieblingstier gutging. Bei der Vorstellung, wie Ranulf über diese Fässer kroch, um das Vieh selbst zu sehen, mußte sie lächeln – denn das würde sich ihr Mann nicht nehmen lassen.
Wer waren nun ihre unerwarteten Gäste? Es handelte sich um eine Dame und einen Herrn, deren zehn Mann starkes Gefolge elegant gekleidet und gut ausgerüstet war, aber daraus konnte Reina keinen Anhaltspunkt gewinnen. Sie hatte es auch mit der Identifizierung der Leute nicht eilig. Deren Ankunft hatte die Aufmerksamkeit einiger Ritter im Übungshof erregt. Das Training wurde für einen Moment unterbrochen, aber wiederaufgenommen, als die Besucher das innere Tor passierten. Das Klirren der Schwerter erklang über den ganzen äußeren Hof. Seit Ranulf hier herrschte, war das zu dieser Tageszeit ein vertrautes Geräusch.
Clydon hatte nun sieben neue Ritter im Dienst, mit ebenso vielen neuen Knappen. Reina sah, wie Sir William einen von ihnen unterrichtete. Seit ihr Vater ins Heilige Land aufgebrochen war, hatte er sich nicht mehr so vergnügt. Searle war auch anwesend, er maß seine Kräfte mit einem der neuen Ritter. Sie hatte Walter und Ranulf beobachtet, wie sie sich gegenseitig herausforderten, und Searle, der bei ihnen gelernt hatte, benutzte dieselbe Technik. Es war kein echter Wettstreit. Der neue Ritter wurde in Sekunden entwaffnet.
Eric und Aubert waren ebenfalls da. Sie beobachteten zwei Knappen in einem ähnlich ungleichen Kampf. In einem von ihnen erkannte Reina Lanzo mit seinem leuchtend roten Haar. Er hätte einen Helm tragen müssen, denn er benutzte ein echtes Schwert anstatt der hölzernen, die viele der neuen Knappen bevorzugten. Sein kleinerer Gegner war auch nicht komplett ausgerüstet und ihm bei weitem unterlegen. Er konnte das Schwert kaum hochhalten, geschweige denn den Schild, und im nächsten Augenblick ging er zu Boden. Daß Lanzo ihn weiter bedrängte, ärgerte Reina. Sie wußte, daß ein Ritter lernen mußte, sich sogar vom
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