Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
hochgeschraubt hatten. Er machte sich auf die Suche nach ihr, weil sie der einzige Mensch war, der ihn beschwichtigen konnte, wenn er kurz davorstand, vor Frustration oder Zorn zu explodieren.
Sie war in der Küche und räumte das Geschirr weg.
»Ist Patsy gegangen?«, fragte Jesse.
Saber nickte. »Gerade erst vor ein paar Minuten. Ich habe versucht, sie dazu zu bringen, dass sie ins Krankenhaus geht und sich untersuchen lässt, und ich finde wirklich, du solltest sie anrufen und versuchen, sie zu überreden. Manchmal zeigen sich Dinge erst später. Sie sollte kein Risiko eingehen.«
»Patsy ist stur. Vielleicht geht sie hin, wenn sie morgen früh wach wird und ihr alles teuflisch wehtut.«
Saber kniff die Lippen zusammen, um nicht noch weiter darauf zu beharren. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst sehr bedrückt. Falls du dir Sorgen um Patsy machst, finde ich immer noch, du solltest dafür sorgen, dass sie sich von einem Arzt untersuchen lässt, und dann solltest du einen Wachdienst engagieren – einen Leibwächter oder jemanden, der sie im Auge behält.«
Genau das hatte Jesse bereits vorgehabt. Er würde jetzt als Erstes ein paar Telefongespräche führen, um etwas gegen seine nervöse Unruhe zu tun.
Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. »Ich fühle mich eingesperrt. Lass uns sehen, dass wir hier rauskommen. Wir machen ein Picknick.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ein Picknick ?«
»Ja, ein Picknick. Du weißt schon, eine Decke auf dem Boden …«
»Dem kalten Boden«, fiel sie ihm ins Wort.
»Eine Decke auf dem kalten Boden«, wiederholte er. »Ein Weidenkorb voller leckerer Sachen, die speziell für eine Mahlzeit im Freien zubereitet wurden. Du weißt schon – ein Picknick.«
»Ich weiß, was ein Picknick ist, Jesse, ich verstehe nur
nicht, warum du plötzlich den Drang verspürst, ausgerechnet jetzt mit mir picknicken zu gehen, wenn die Natur kurz davorsteht, eine Tonne Schnee auf uns zu kippen.«
»Dann wird es eben ein bisschen frischer sein. Du wirst deine helle Freude daran haben.«
»Ja, genau. Ich und die Pinguine.« Aber jetzt fing er an zu grinsen, und das Funkeln in seinen Augen war unwiderstehlich. Dieser verflixte Kerl. Er wusste, dass sie diesem spöttischen Gesichtsausdruck nicht widerstehen konnte. »Nehmen wir mal an, ich erkläre mich mit dieser lächerlichen Idee einverstanden. Wie du gerade hervorgehoben hast, gehört zu einem Picknick Essen.« Sie öffnete die Kühlschranktür und deutete mit einem hämischen Grinsen auf den spärlichen Inhalt. »Auch wenn es mir noch so sehr verhasst ist, deine Seifenblase platzen zu lassen, Calhoun, aber ich würde sagen, dieser Kühlschrank sieht leer aus.«
»Lass mich nicht restlos im Stich, du kleine Jammerliese. Wir halten an einem Geschäft an. Ich könnte etwas mehr Begeisterung von deiner Seite gebrauchen.«
»Ja, schon gut.« Saber kapitulierte. »Ich bin begeistert. Ich kann es kaum erwarten.« Das konnte sie tatsächlich nicht. Sie war noch nie zu einem Picknick eingeladen worden. Picknicken gehörte zu den Dingen, die normale Menschen taten. Normal, wie sie es sich immer gewünscht hatte. »Wohin fahren wir?«
»Das wirst du ja sehen. Zieh dich warm an, und vergiss deine Handschuhe nicht«, erwiderte er.
Saber gestattete sich, ihm wirklich ins Gesicht zu sehen. Es war schwierig, seine Gedanken zu lesen. So war es schon immer gewesen. Sie fühlte sich wohl bei ihm, lebendig
und fröhlich. Und sie hatte keine Kopfschmerzen und blutete auch nicht aus Mund, Nase und Ohren. Wenn sie nah bei ihm war, konnte sie mit all den Energien, die ihr Gehirn bestürmten, umgehen, mit all den Gefühlen und Geräuschen, mit denen sie bombardiert wurde. Sie hatte sich nie gefragt, warum das so war, aber diese Frage hätte sie sich stellen sollen. Nur ein Schattengänger, der ein Anker war, konnte die Energien von ihr abziehen, und Jesse Calhoun musste ein Anker sein. Fühlte sie sich ihm deshalb so nah? Weil er so war wie sie?
Hatte sie sich selbst in all diesen Monaten wirklich getäuscht? Er musste eine blendende Ausbildung durchlaufen haben, wenn es ihm gelungen war, seine Teilnahme an dem Programm vor ihr zu verbergen. Normalerweise konnte sie einen Schattengänger auf eine Meile wittern, aber da Jesse im Rollstuhl saß, war sie überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, er könnte an dem Programm teilgenommen haben.
»Was ist?«, fragte er wieder. Seine Stimme war sanft.
Sie war versucht, einfach mit ihren
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