Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
…« Jesse wartete, bis sie ihn ansah. »Ganz gleich, was er getan hat, es spielt keine Rolle. Ich liebe dich so, wie du bist, und nicht aufgrund meiner körperlichen Reaktionen auf dich. Und Liebe kann er nicht auf Kommando hervorrufen. Merk dir das gut, ja, wenn du darüber nachdenkst. Ich werde in meinem Büro sein.«
Sie konnte nicht reden, wenn ihr Tränen in den Augen standen und ihre Kehle wie zugeschnürt war, und daher wandte sie sich ab und begab sich wieder in Jesses Badezimmer. Das war der einzige Zufluchtsort, der ihr noch geblieben war.
Verflucht, verflucht, verflucht. Er musste ihnen folgen. Sie von der Straße abdrängen, um zu verhindern, dass die beiden Idioten verhört wurden und sie eine Personenbeschreibung abgaben. Er wollte schreien und mit einer Uzi herumballern, sie alle mit einem Kugelhagel umlegen. Der Teufel sollte sie holen. Der Teufel sollte Whitney holen. Sie hatten kein Recht, seine Pläne zu durchkreuzen.
10
SABER BLIEB MITTEN im Badezimmer stehen und zitterte von Kopf bis Fuß. Es war ein großer Raum mit kühlen Kacheln und breiten, offenen Durchgängen. Jesse konnte seinen Rollstuhl in die Dusche fahren. Der Jacuzzi war riesig, und Saber spielte mit dem Gedanken, sich hineinzusetzen und in Ruhe zu weinen. Vielleicht hatte sie sich all das mit ihrer Stimme eingebrockt. Sie hatte bewusst ihre durch Whitney veränderte Stimme eingesetzt, sie in dem Versuch genutzt, denjenigen, der sie verfolgte, aus dem Dunkel hervorzulocken, und vielleicht war es ihr gelungen.
Sie lief eine Weile auf und ab und versuchte dann sich hinzusetzen. Schließlich zog das Aufräumteam gemeinsam mit den meisten Schattengängern ab. Nur Logan blieb, und er begab sich ins Büro, um mit Jesse zu reden. Sie ließen die Tür einen Spalt weit offen. Saber war ziemlich sicher, dass Jesse sie abfangen wollte, bevor sie nach oben ging, aber sie hatte nicht die Absicht, nach oben zu gehen. Sie konnte nicht in diesem Zimmer sein. Stattdessen schlich sie am Büro vorbei und in die Küche.
Dort roch es angenehm und würzig. Der Duft bewirkte, dass es ihr gleich wieder etwas besserging. Sie bereitete sich eine Tasse Tee zu, konnte aber immer noch nicht stillsitzen, denn es beunruhigte und erschütterte sie, dass es jemandem gelungen war, in das Haus vorzudringen und
so nah an sie heranzukommen. Und an Jesse. Nicht nur die Kleidungsstücke waren in Streifen gerissen. Ihr Blick war auf das Bild von Jesse gefallen, das sie auf ihrem Nachttisch stehen hatte – die Glasscheibe war zerschmettert, der Rahmen zerbrochen und die Fotografie zerrissen.
Ein Schauer überlief ihre Haut, und Sorge schlich sich in ihren Geist ein. Sie holte Atem und stieß ihn wieder aus. Jemand beobachtete das Haus. War es das Schattengängerteam? Hatten sie ein wachsames Auge auf sie? Um Jesse vor ihr zu beschützen? Sie verhielt sich vollkommen still, brachte ihr Inneres zur Ruhe und versuchte Freund oder Feind zu fühlen.
Das Unbehagen, das sich nicht legen wollte, gab ihr die Antwort: Was sie dort draußen wahrnahm, war nicht freundlich gesinnt. Sie eilte mit lautlosen Schritten die Treppe hinauf. Wenn sie Glück hatte, würde Jesse glauben, sie sei eingeschlafen, und er würde noch eine Weile mit Logan arbeiten. Die Schattengänger hatten die Gefangenen inzwischen höchstwahrscheinlich verhört und würden Jesse im Büro Daten zukommen lassen. Das sollte ihr die Zeit geben, die sie brauchte.
In ihrem Badezimmer wusch sich Saber das Gesicht und entfernte die restliche Schminke von ihren Augen und Lippen. Wenn sie ihren Hautton dunkler schminkte, ließ sie das zwei bis drei Jahre älter wirken, nichts Dramatisches, und das Augenmake-up nahm ihrem Äußeren die Hilflosigkeit und die Spur von Verwahrlosung, die sie ungeschminkt an sich hatte. Sie sah sich im Spiegel an, und es drückte ihr das Herz ab; ihre Lippen zitterten, als ihr Spiegelbild verschwamm und Bildern der Erinnerung wich, an die sie unter gar keinen Umständen denken wollte.
So ein wunderschönes Kind , hatte er gesagt, und seine Hand hatte ihre Wange gestreichelt, während sie zu ihm aufgeblickt hatte. So ein wunderschönes Kind und so lebensbedrohlich, so todbringend, eine meiner größten Errungenschaften. Setz dich dorthin, und spiele das Spiel mit der kleinen Thorn. Schling deine Hand um ihren Knöchel, und fühle ihren Puls. So ist es brav. Du fühlst es, nicht wahr? Ihr Herz, das vor sich hin klopft, diesen gleichbleibenden Rhythmus. Genau wie bei dem kleinen
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