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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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ich«, entgegnete Lucy und bemerkte Amys zaghaftes Lächeln.
    Lucy war so aufgewühlt, dass sie kaum wusste, was in der nächsten halben Stunde geschah, blieb jedoch gefasst und höflich. Gelegentlich brachte sie sogar ein Lächeln zustande, als sie den Gästen ihre Zimmer zeigte. Heath zog sich zurück, um sich frisch zu machen, und Lucy bemühte sich verzweifelt, ihre Gedanken zu ordnen, ehe sie ihn zur Rede stellen wollte. Als sie kurze Zeit später an Amys offener Zimmertür vorbeiging, saß das Mädchen auf dem Bettrand und blickte geistesabwesend an die Wand.
    »Amy?« Lucy erschrak über ihre starre Haltung »Soll ich dir etwas bringen lassen? Eine Tasse Tee vielleicht?«
    »Nein, danke.« Das Mädchen warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. »Das ist ein hübsches Zimmer.« Lucy hatte sie in das Gästezimmer mit der pastellfarbenen Blumentapete auf gelbem Grund einquartiert.
    »Freut mich, dass es dir gefällt.« Lucy trat zögernd ans Fenster, da sie nicht wusste, ob Amy ihre Gesellschaft als lästig empfand. »Hoffentlich ist es dir nicht zu warm. Wenn du frische Luft willst, mach ruhig das Fenster auf.«
    »Nein, es ist in Ordnung«, meinte Amy. »In Massachusetts ist es sehr kalt.«
    »Bald kommt der Frühling Der ist wunderschön bei uns.«
    »Heath sagt, ich komme in ein Internat im Norden.«
    »Freust du dich darauf?«
    Amy sah sie mit großen blauen Augen an. »Ich habe nichts dagegen. Ich lese gern. Und ich gehe gern zur Schule.«
    Das war ermutigend. »In Massachusetts gibt es ausgezeichnete Mädchenschulen«, erklärte Lucy freundlich. »Vor kurzem wurde sogar in Wellesley eine Hochschule für junge Damen gegründet. Und wenn du deine Ausbildung fortsetzen möchtest, kannst du in ein paar Jahren die Universität besuchen – wie die jungen Männer.«
    Die letzte Bemerkung schien Amys Interesse zu wecken. »Sind Sie eine Frauenrechtlerin?«, fragte sie neugierig.
    »In gewisser Weise«, gestand Lucy. »Jedenfalls bin ich der Meinung, Frauen sollten studieren dürfen. Es ärgert mich, wenn wir Frauen behandelt werden, als seien wir den Männern geistig unterlegen.«
    »Mama und Raine sagen, ein Mann heiratet keine Frau, die er für klüger hält, als er selbst ist.«
    »Das lässt Rückschlüsse auf deinen Bruder zu«, murmelte Lucy.
    »Was?«
    »Ach, nichts. Nichts, Amy. Mir fällt nur gerade ein, dass ich mich mit Heath unterhalten wollte.«
    »Über Raine?«
    Der wache Blick ihrer großen blaugrünen Augen erinnerte Lucy verblüffend an die Art, wie Heath sie gelegentlich ansah. »Über viele Dinge«, antwortete sie. »Ich habe ihn zwei Wochen nicht gesehen. Wir haben einiges miteinander zu besprechen.«
    »Er wusste nicht, dass Raine uns begleitet«, entgegnete Amy, die sich von Lucys ausweichender Antwort nicht beirren ließ. »Ich wusste es auch nicht. Erst am Morgen unserer Abreise sagte sie, dass ihre Verwandten in Goochland County sie nicht zu sich nehmen. Und in Henrico County hat sie niemanden.«
    Und jetzt ist sie genau da, wo sie sein will, dachte Lucy in aufwallendem Unmut. Wie leicht Männer sich von Frauen umgarnen ließen! Ein paar Tränen, ein paar hilflos flatternde Augenaufschläge, schon hatte Raine ihren Willen durchgesetzt. Und Lucy war vor die Tatsache gestellt mit ihr unter einem Dach zu leben! Was für eine Farce.
    »Willst du dich ein wenig ausruhen?«, schlug Lucy gelassen vor, der die dunklen Schatten unter Amys Augen nicht entgangen waren. »Ich wecke dich rechtzeitig vor dem Abendessen, damit du dich frisch machen kannst.«
    Amy nickte ernsthaft und blickte Lucy nach, bis sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Heath wartete im Schlafzimmer, frisch gebadet und, umgezogen. Sein gebräuntes Gesicht hob sich stark vom Weiß seines Hemdes ab. Sie sahen einander an und unsichtbare Signale schienen zwischen ihnen hin und her zu fliegen.
    Er war angespannt. Sie war wütend. Er war ebenso kampfbereit wie sie. Sie waren einander seit Wochen körperlich nicht nahe gekommen und alle Wege der Verständigung schienen blockiert. Enttäuschung und Zorn bildeten eine unüberwindliche Grenze zwischen ihnen.
    »Ich möchte mich gerne in der Bibliothek mit dir unterhalten«, begann Lucy mit gepresster Stimme. »Dort stört uns niemand.«
    »Hast du etwa vor, laut zu werden?«, meinte er trocken.
    »Ich hoffe nicht, dazu gezwungen zu sein. Wenn du dich allerdings weigerst, mich anzuhören, werde ich laut.
    Solltet du vorhaben, die Angelegenheit auf die leichte

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