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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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fünfundzwanzig Cents. Da Lucy ins Veranstaltungskomitee gewählt worden war, hatte sie viel mit der Vorbereitung des Festes zu tun, das im großen Saal des Rathauses stattfinden sollte. Das Motto des Abends lautete ›Frühlings Erwachen‹ und sie war den ganzen Samstag beschäftigt, zusammen mit den anderen Damen des Komitees, den Saal, die Empore und den breiten Aufgang mit Blumen und Kränzen zu schmücken.
    Später halfen die Damen einander in den Garderoben beim Ankleiden. Lucy holte mit aufgeregtem Herzklopfen ihr neues Ballkleid aus dem großen Karton, das sie noch nie getragen hatte, und freute sich auf Daniels entzücktes Gesicht, wenn er sie darin sah. Vielleicht gefiel sie ihm heute Abend so sehr, dass er einen Termin für die Hochzeit festlegte.
    »Schnür mich fester«, wies sie Sally Hudson atemlos an, ihre quirlige achtzehnjährige Freundin. Die Freundschaft hatte vorwiegend deshalb über die Kinderjahre hinaus gehalten, da Lucy seit jeher in Daniel verliebt war und für Sally keine Konkurrenz darstellte, wenn es um Männer ging.
    »Fünfzig Zentimeter?«, fragte Sally, wickelte sich die Korsettverschnürung um die Fäuste und zog fest daran.
    »Es müssen achtundvierzig sein … für mein neues Kleid …«, Lucy japste nach Luft und schloss die Augen.
    »Das schaffe ich nie«, entgegnete Sally und zog noch fester. »Wieso hast du dir das Kleid so eng schneidern lassen? Weniger als neunundvierzig werden es nicht …«
    »Ich dachte, ich … nehme ein wenig ab.«
    Nach einem letzten kräftigen Ruck band Sally die Verschnürung mit einer Doppelschleife fest und begutachtete stolz ihr Werk. »Achtundvierzigeinhalb … beinahe. Die perfekte Wespentaille.« Sie neigte ihren hübschen Blondkopf zur Seite. »Aber wenn du dich das nächste Mal so eng schnüren willst, solltest du ein Swanbill-Korsett tragen. Welche Marke verwendest du?«
    »Thompsons Korsett, hauteng wie ein Handschuh. Es ist ganz neu …«
    »Ja. Ich habe eine Reklame davon in Godey’s Modejournal gesehen. Ich schwöre auf Swanbill – es ist besser versteift.«
    Geschickt band Lucy sich die Tournüre um, streifte die Unterröcke über und ließ sich von Sally in das neue Ballkleid helfen. Als es geknöpft und zurecht gezupft war, wurden bewundernde Rufe der anderen Damen laut. Das Kleid war aus weißer Seide geschneidert, die wie frisch gefallener Schnee glänzte. Der Rock war mit üppigen Volants und hauchzarten Tüllwolken besetzt, in Hüfthöhe rankten Girlanden aus künstlichen Stiefmütterchen und winzigen Efeublättern. Der gewagte Ausschnitt des schmalen, spitz zulaufenden Mieders war mit Seidenrosetten verziert, die auch die kurzen Puffärmel schmückten. Sally betrachtete Lucy mit Bewunderung und einem Anflug von Neid.
    »Das hat man nun davon, Lucy Caldwell.« Sie hielt der Freundin den Handspiegel vor und warf ihr einen gespielt vorwurfsvollen Blick über den Rand zu. »Du siehst aus, als seist du Godey’s Modejournal entstiegen.«
    Lucy lächelte zufrieden und prüfte ihre Frisur im Spiegel. Ihre kastanienfarbenen Locken waren zu einem Chignon hoch gesteckt. An den Schläfen und im Nacken tanzten vereinzelte gekräuselte Löckchen. Ohrgehänge und Halsschmuck aus Malachit hoben die grünen Einsprengsel ihrer haselnussbraunen Augen hervor. Ihre Wangen waren vor Aufregung rosig angehaucht. Lucy wusste, dass sie nie schöner ausgesehen hatte. »Was Daniel wohl sagen wird?«, überlegte sie laut.
    »Er ist ohnehin bis über beide Ohren in dich verliebt. Ich vermute, er sinkt vor dir auf die Knie und zitiert eine Ode an die Schönheit.« Sally lächelte schelmisch. »Ich an deiner Stelle würde auf der Hut vor ihm sein, sonst zerrt er dich in eines der leer stehenden Büros.«
    Ach, wenn er es nur tun würde, dachte Lucy und lächelte wehmütig. »Ich hoffe nur, dass er sich nicht zu sehr verspätet«, sagte sie und zupfte eine Tüllwolke zurecht.
    »Verspätet?«, wiederholte Sally verständnislos. »Ist das sein Ernst? Hat er etwa wieder eine Besprechung mit den Anwälten in seiner Kanzlei?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Ich begreife nicht, wie du das aushältst, wenn Daniel nie Zeit für dich hat …«
    »Ich bin sehr stolz auf ihn. Daniel ist der jüngste Rechtsanwalt der Eisenbahngesellschaft in Boston und Lowell.
    Dieser Posten erfordert seinen ganzen Einsatz. Seit Kriegsende plant die Gesellschaft große Entwicklungen und das bedeutet umso mehr Einsatz und Fleiß …«
    »Na schön«, unterbrach Sally sie gelangweilt.

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