Fesseln der Sehnsucht
erstarb ihr Lachen jäh, als sie über Davids Schulter einen Blick auf eine Herrengruppe vor dem Tisch mit den Erfrischungen erhaschte. Heath in ihrer Mitte machte eine Bemerkung in die Runde, worauf die Herren schmunzelten. Bei seinem Lachen blitzten die Zähne weiß in seinem gebräunten Gesicht.
Er war also wieder da.
Kapitel 3
Lucy geriet aus dem Takt, während sie zu Heath hinüber starrte. David Fraser verlangsamte das schwungvolle Tempo des Tanzes und folgte ihrem Blick. »Das ist Heath Rayne, der Konföderierte, der …«
»Ich weiß, wer er ist.« Lucy löste den Blick von Heath und blickte lächelnd zu David auf. »Ich wundere mich nur, ihn im Kreis der jungen Herren zu sehen«, meinte sie leichthin. »Ich dachte, er sei in der ganzen Stadt unbeliebt.«
»Nicht bei jedem. Ein Mann wie er wird entweder bewundert oder gehasst – ich vermute, einige der Herren würden seinen Stil gern imitieren.«
»Stil … meinen Sie damit seine Kleidung?«
»Das auch … aber mehr die Art, wie er sich gibt, wie er redet.« David lächelte dünn. »Jedenfalls ist er kein Durchschnittsmann … Schwer zu erklären. Ich jedenfalls teile diese Bewunderung nicht, da er noch vor drei Jahren an der feindlichen Front gekämpft und auf unsere Soldaten geschossen hat.«
»Irgendwann sollte man vergessen, wer gegen wen geschossen hat. Wir müssen wieder lernen, friedlich miteinander umzugehen«, entgegnete Lucy sinnend und spähte bei einer langsamen Drehung erneut über Davids Schulter.
In Concord kleidete sich kein Herr so modisch wie Heath. Wer hätte sich auch teure Kleidung leisten können? Er trug eine tadellos sitzende weiße Pikeeweste zum schwarzen Abendanzug, dessen Jackett schmaler geschnitten war als die etwas plumpen Prince-Albert-Gehröcke der anderen Herren. Statt der vorgebundenen gesteiften Hemdbrust trug er ein blütenweißes Batisthemd und eine schmale seidene Halsbinde. Sein goldblondes Haar war an den Schläfen und im Nacken kurz geschnitten und ließ das lange, bis über die Ohren reichende Haar der anderen Herren altmodisch erscheinen. Eitler Pfau!, dachte Lucy und stellte fest, dass sie nicht die einzige Frau war, die ihn musterte. Er weiß, dass jede Frau im Saal ihm heimliche Blicke zuwirft … und er genießt ihre Bewunderung!
Dieser Mann kannte weder Bescheidenheit noch Scham.
Lucy setzte ihren Tanz mit David fort, doch ihre heitere Stimmung war verflogen. Nach einiger Zeit spähte sie wieder zum Tisch mit den Erfrischungen hinüber. Heath war verschwunden. Sie ließ den Blick durch den Ballsaal schweifen und dann sah sie ihn mit Sally tanzen. Ausgerechnet mit Sally, die den Konföderierten mit rosig angehauchten Wangen anhimmelte und es genoss, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Heath neigte sich seiner Tanzpartnerin zu, ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Das Paar wurde mit tadelnden Blicken bedacht und Sallys Mutter verschaffte sich mit vibrierendem Fächer Kühlung.
»Die Luft ist ziemlich stickig«, meinte Lucy an David gewandt. Mit einem Mal hatte der Abend seinen Glanz und seine Heiterkeit verloren.
»Wollen Sie sich ein wenig ausruhen?«
»Ja, gern.«
Fürsorglich führte David sie von der Tanzfläche.
Lucy floh in den Erfrischungsraum der Damen, betupfte sich die erhitzte Stirn und Wangen mit ihrem Spitzentuch, steckte ein paar widerspenstige Locken fest und schaute in ein unglückliches braunes Augenpaar.
»Was ist bloß los mit mir?«, murmelte sie und wandte den Blick vom Spiegel. Verwirrt musste sie sich die Wahrheit eingestehen. Sie wünschte sich, die jene zu sein, die mit Heath Rayne tanzte. Sie war eifersüchtig auf Sally.
Ich benehme mich unmöglich, schalt Lucy sich verwirrt. Ich habe Daniel. Ich kann nicht in einen Mann verliebt sein und gleichzeitig eifersüchtig wegen eines anderen sein. Wieso, um Himmels willen, bin ich so töricht?
Es lag nur daran, dass Daniel nicht da war, das war die einzige Erklärung. Lucy vermochte ihre verwirrenden Empfindungen für den Südstaatler nicht zu ordnen. Es gab Geheimnisse, die sie mit Heath Rayne teilte: das Geheimnis der beiden gemeinsam verbrachten Tage in seinem gemütlichen Haus, das Geheimnis ihrer Unterhaltungen und das Geheimnis seiner Küsse. Das bedeutete indes nicht, dass sie Ansprüche an ihn und seine Aufmerksamkeit stellen durfte. Gütiger Himmel, so etwas lag ihr völlig fern! Seufzend nestelte Lucy an ihren Puffärmeln, betrat wieder den Ballsaal und begab sich an den Getränketisch.
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