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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Damen brach in kreischendes Gelächter aus. Selbst Lucy, die zwar tief errötete, stimmte mit ein. Als alle erwartungsvoll auf ihre Antwort warteten, hob sie das Glas mit Eiswasser an die Lippen und hoffte, damit ihre Wangen zu kühlen. Sie musste um jeden Preis den Eindruck der Damen bestärken, sie sei mit der körperlichen Liebe ebenso vertraut wie alle anderen.
    »Ich sage nur eines«, antwortete sie und verdrängte den nagenden Stich ihres Gewissens, den Damen etwas weiszumachen, was nicht stimmte. »Er sagte mir, ich widerlege sämtliche Gerüchte, die er über Yankee-Frauen gehört hatte.«
    Damit erntete sie erneut begeistertes Lachen und vereinzeltes Händeklatschen. »Die Südstaatler halten uns Frauen im Norden für Eisblöcke«, erklärte Alice Gregson trocken, die hübsche Frau eines Stadtverordneten.
    »Das sind wir auch im Vergleich zu südländischen Frauen«, entgegnete Betta Hampton, die über einen ätzenden Humor verfügte. Mit zweiundvierzig war sie die Älteste im Club und selbstredend die Frau mit der größten Erfahrung. Sie brachte Lucy mit ihrem wissenden Lächeln häufig in Verlegenheit und ihre lästerlichen Bemerkungen schienen mitunter auf einen gewissen Lebensüberdruss oder eine tiefe Enttäuschung hinzuweisen.
    Betta schien sich um nichts und niemand zu scheren. »Es liegt am Klima. Ich spreche nicht vom Wetter, ihr dummen Gänse. Es liegt am gesellschaftlichen Klima. Bei uns sind die Männer allesamt unterkühlte Ehrgeizlinge, die nur eines im Sinn haben. Ich sage euch, wie ihr einen Nordstaatler in Habachtstellung bekommt … ihr braucht nur mit einem Bündel Geldscheine vor seiner Nase herum zuwedeln. Die Männer im Süden … sind ganz anders.
    Ich hatte einmal einen Liebhaber aus dem Süden … und ich versichere euch, eine Frau kann noch so viele Männer gehabt haben, in den Armen eines Südstaatlers erwacht sie erst richtig.«
    »Wieso? Woran liegt das?«, wollte Olinda eifrig wissen.
    Betta lächelte wissend. »Sie haben ein besonderes Geheimnis. Frag Lucy.«
    Lucy wollte und konnte keine Antwort geben, so sehr die Damen auch mit Bitten über sie herfielen, ihnen das Geheimnis zu verraten. Geheimnis? Sie hatte keine Ahnung, welches Geheimnis das sein mochte. Sie hatte den Liebesakt mit Heath nie vollzogen – sie kannte ihren eigenen Ehemann kaum. Schweigend blickte sie in Bettas spöttisch funkelnde graue Augen und kam sich vor wie eine Schwindlerin.
    »Ich verrate euch das Geheimnis«, meinte Betta selbstgefällig. »Die Südstaatler machen alles – und wenn ich sage alles, so meine ich alles – sehr, sehr langsam. Hab ich Recht, Lucy?«
    Als Lucy an dem kleinen Haus am Fluss vorfuhr, stellte sie zu ihrem Erstaunen fest, dass Heath zu Hause war. Er würde also mit ihr zu Abend essen, was höchst selten vorkam. Diese gemeinsamen Mahlzeiten waren Lucy mittlerweile ein Gräuel, da es ihr unendlich schwer fiel, ihm bei Tisch gegenüber zu sitzen und gestelzte Konversation zu machen, ohne ihm wirklich etwas zu sagen zu haben. Ein gemeinsames Essen müsste in entspannter, herzlicher Atmosphäre stattfinden, doch Lucy fühlte sich in seiner Gegenwart unbehaglich und gehemmt. Er war nicht derselbe Mann, der sie einst geneckt und zum Lachen gebracht, sie mit seinen losen Reden provoziert hatte und bei dessen verführerischem Lächeln sie unweigerlich errötet war. Der Mann, der ihr bei Tisch gegenüber saß, wurde ihr mit jedem Tag fremder; ein Unbekannter mit kalten blauen Augen, an dem sie keine Spur Sympathie oder gar Begehren für sie entdecken konnte. Er hatte nicht das geringste Interesse an ihr und seine Gleichgültigkeit war schlimmer als sein Zorn.
    Lucy vermutete eine andere Frau hinter seiner Gleichgültigkeit. Wahrscheinlich hatte er eine Geliebte in Boston.
    Der Gedanke schmerzte sie. Welchen Grund hätte es sonst für sein Desinteresse geben können?
    »Wie war dein Tag in Boston?«, fragte sie leise und, stocherte lustlos in ihrem Essen herum.
    »Es gibt Schwierigkeiten mit einer Investition, die ich plane Ich muss morgen noch mal in die Stadt.«
    »Verstehe«, antwortete sie mit schmalen Lippen. Ihrem Argwohn war erneut Nahrung gegeben. Machte er diese häufigen Eisenbahnfahrten in die Stadt aus geschäftlichen Gründen oder besuchte er eine andere Frau?
    Seine blauen Augen richteten sich auf sie. »Und wie war dein Tag? Wieder ein amüsantes Treffen mit den feinen Damen von Concord? Worüber habt ihr heute diskutiert – über Waisenkinder oder

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