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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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erwähnt, in Kriegsgefangenschaft gewesen zu sein. Die Gefangenenlager auf beiden Seiten, im Norden wie im Süden, standen im furchtbaren Ruf, die reinste Hölle gewesen zu sein. Die Soldaten waren zu Hunderten auf kleinstem Raum zusammengepfercht, in notdürftigen Baracken untergebracht, auf völlig unzureichende Rationen halb verfaulter Nahrung gesetzt. Krankheiten und Seuchen breiteten sich aus, die medizinische Versorgung war katastrophal. Einzelne Wortfetzen auf den folgenden Seiten sprangen sie an: … ohne Winterkleidung in Gefangenschaft geraten … schneidende Kälte … die Männer sterben wie die Fliegen an Typhus … erneute Cholerafälle … Gefangenenaustausch – die Gerüchte geben Anlass zu höchsten Hoffnungen und tiefster Niedergeschlagenheit … fauliges, stinkendes Wasser …
    Lucy klappte das Buch mit zitternden Fingern zu, sie war zutiefst aufgewühlt. Sie wollte nicht wissen, was Heath im Krieg durchmachen musste, wie lange er im Lager geschmachtet hatte, unter welchen Umständen er freikam.
    Du wärst erstaunt, Mrs. Rayne, die Wahrheit über die Integrität der Menschen im Krieg zu erfahren …
    Dachte er noch an seine Zeit in der Gefangenschaft oder hatte er die Erinnerung tief in sich vergraben? Wie war es ihm gelungen zu überleben? Warum sprach er nie darüber?
    Sie wollte es nicht wissen. Sie wollte kein Mitleid mit ihm empfinden. Sie wollte nicht den Wunsch haben, ihn in die Arme zu nehmen und ihn zu trösten. Das alles lag in der Vergangenheit, redete sie sich ein. Er brauchte keinen Trost und kein Mitleid, am allerwenigsten brauchte er ihre Zuwendung.
    Gegen Abend, als Mrs. Flannery damit beschäftigt war, das Essen zu bereiten, ging Lucy ins Wohnzimmer. Heath hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, umgeben von Zeitungsstapeln. Heath ließ die Zeitung sinken, als sie den Raum betrat. »Was liest du?«, fragte sie beiläufig, bückte sich und nahm ein Blatt zur Hand. Eine Zeitung aus Vicksburg, der Citizen. »Ach, diese alten Ausgaben … seltsam, die ist nicht auf normalem Zeitungspapier gedruckt …
    »Sie wurde auf die Rückseite von Tapeten gedruckt«, erklärte Heath mit einem dünnen Lächeln.
    »Warum?«
    »Gegen Ende des Krieges war Papier sehr knapp. Die meisten Papierfabriken waren niedergebrannt. Also druckte man Zeitungen auf Packpapier, Tapeten, auf alles, was durch die Druckerpressen lief. Und als es keine Tinte mehr gab, versuchte man es mit schwarzer Schuhwichse.«
    Lucy bewunderte die Hartnäckigkeit und Ausdauer der Zeitungsverleger im Süden. »Anscheinend haben die Südstaaten den Norden an Sturheit noch übertroffen.« Sie nahm ein anderes Exemplar zur Hand. »Der Charlston Mercury. Wieso hast du den aufbewahrt?«
    »Lies die Schlagzeile.«
    »›Die Union ist zerschlagen‹ … ach ja, die Ankündigung der Sezession von South Carolina …«
    »So ist es. Am 20. Dezember 1860, um Viertel nach eins. Zu diesem Zeitpunkt wusste jeder, es gibt Krieg.«
    »Und diese da – wieso hast du die behalten?«
    »Die … ach ja …« Heath nahm sie zur Hand und lehnte sich wieder bequem zurück, hing alten Erinnerungen nach.
    Lucy neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sinnend das bittere Lächeln, das seinen Mund umspielte. »Dafür ist mein Vater gestorben.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Lucy betroffen.
    »›Diese Zeitung‹«, begann er vorzulesen, »›die sich vor einiger Zeit von der Union losgesagt hat, wird nun unter neuer Leitung erscheinen, die es sich zur Aufgabe macht, das politische Gedankengut der Vereinigten Staaten von Amerika …‹«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die Zeitung erschien in Richmond und wurde von einem guten Freund meines Vaters herausgegeben. Mein Vater war ein Mann von enormer Prinzipientreue und glaubte unerschütterlich an die Sache der Konföderation. Er hatte großen Respekt vor dem gedruckten Wort und war der festen Überzeugung, solange die Presse am Leben erhalten werde, könne der Süden nicht fallen. Er begab sich in die Redaktionsräume, wo die Mitarbeiter sich verschanzt hatten und erbittert kämpften, damit die Zeitung nicht in die Hände der Unionstruppen fiel und Sprachrohr der Yankees wurde. Mein Vater wurde in dem Kampf getötet und die Zeitung von den Yankees übernommen. Diese Ausgabe unter der neuen Unionsführung kam am nächsten Tag heraus der Kampf, sie vor dem Zugriff der Nordstaaten zu schützen, war gescheitert. Der Kampf meines Vaters war vergeblich.«
    »Tut mir Leid …«
    »Keine

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