Fesseln der Sünde
Gideon den entscheidenden Schlag zu versetzen. Doch stattdessen blieb er regungslos und außer Atem auf dem Boden liegen.
»Um Gottes willen, helfen Sie Gideon«, bat sie Akash angestrengt flüsternd, als er wieder neben sie trat.
»Das schafft der schon alleine«, sagte Akash sanft.
Es schien Stunden zu dauern, bis Gideon sich wieder rührte, obwohl sie wusste, dass es nur der Bruchteil einer Sekunde gewesen sein konnte. Als er sich aufsetzte, schüttelte er den Kopf, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Er rappelte sich im gleichen Moment auf, wie Felix wieder auf die Beine fand.
Erschöpfung und Schmerz forderten ihren Tribut. Beide Männer keuchten stoßartig, während sie mit erhobenen Fäusten einander umkreisten. Felix’ linkes Auge war geschwollen und seine Lippen aufgerissen und blutig. Charis bemerkte das Humpeln ihres Stiefbruders, der sein rechtes Bein nachzog.
Sie holte zitternd Atem und blickte Gideon an. Er sah schmutzig, zerzaust und zerschrammt aus, aber Gott sei Dank ansonsten heil. Seine Augen waren klar und wachsam. Sie schauten Felix mit einem Funken des Triumphs an. Der Kampf hatte sich zum Vorteil von Gideon gewendet.
»Gib auf, Farrell. Es gibt für dich keinen Ausweg mehr.« Er hörte sich ruhig an, selbstsicher, wie der Mann, der ihr das Leben gerettet hatte. Er ballte seine behandschuhten Hände immer wieder zu Fäusten und ließ seine Schultern kreisen.
»Ich komme hier schon noch heraus.« Felix taumelte auf dem unebenen Boden, fiel aber nicht hin. »Das werden wir erst mal sehen, ob nicht.«
Charis sah, wie er weiter in den Tunnel hineintaumelte. Sein Blick blieb auf Gideon gerichtet, der ihm folgte.
»Du wirst auf diesem Weg nicht flüchten können. Hast du dir dein Versteck etwa nicht genau angeschaut? Die Mine endet im Berghang.«
»Felix, er ist hier aufgewachsen«, rief Charis, verzweifelt bemüht, diesem fürchterlichen Spiel ein Ende zu bereiten. »Er kennt jeden Zentimeter des Anwesens. Du sitzt in der Falle.«
»Halt deinen Mund, du kleine Schlampe.« Felix hörte sich aufgebracht und wütend an, als er sich taumelnd zurückzog. Seine Stimme hallte eigenartig, während der Tunnel enger wurde. »Das werden wir noch sehen, wer hier in der Falle sitzt.«
»Sei vorsichtig. Hinter dir ist ein Minenschacht.« Gideon begann, hinter ihm herzugehen, seine Stiefelabsätze klackerten laut auf dem festen, schmutzigen Boden. Charis löste sich von Akash, griff nach ihrem Messer und folgte ihnen. Sie traute ihrem Stiefbruder immer noch nicht, obwohl er offensichtlich am Ende seiner Kräfte war.
»Willst du jetzt etwa miese Tricks anwenden, Trevithick?« Felix’ grelles Lachen ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Er zog sich noch schneller aus dem Licht zurück.
»Schau nach hinten, wenn du mir nicht glaubst.« Gideons Stimme wurde eindringlich und rau. »Verflucht noch mal, hör auf mich! Sieh dich um!«
»Um so die Augen von dir abzuwenden? Du denkst wohl, ich bin ein verdammter Schwachkopf.«
»Farrell …«
Felix bewegte sich weiter in seinem eigenartigen, krabbenartigen Gang schlurfend nach hinten, bis er plötzlich schwankte. Er ruderte mit den Armen und kämpfte um sein Gleichgewicht. Gideons Warnung stellte sich als die tragische Wahrheit heraus. Charis’ Magen zog sich vor Entsetzen zusammen.
Gideon machte einen Sprung vorwärts. Und obwohl er schnell war, kam er zu spät. Er war zu weit weg.
Mit einem grellen Schrei der Wut verlor Felix den Halt und stürzte über die Kante.
24
Von weit her erklang ein scheußliches, dumpfes Geräusch. Dann trat mit einem Schlag Stille ein.
Schockiert stand Gideon am Rand des Schachtes, unfähig zu glauben, was gerade passiert war. Er konnte in der Dunkelheit nichts sehen. Der Schacht ging zu weit nach unten.
»Farrell«, rief er. In seiner Kindheit war einmal ein Minenarbeiter in den Schacht gestürzt und dabei gestorben. Das war einer der Gründe, warum die Arbeiten eingestellt worden waren.
Er rief noch einmal und erkannte, dass es zwecklos war.
Er hatte Felix verabscheut und ihn für das, was er Charis angetan hatte, büßen lassen wollen. Trotzdem war das für jeden ein trauriges Ende, selbst für den verabscheuungswürdigsten Abschaum.
Wie aus dem Nichts überfiel ihn Benommenheit, und er schwankte. Von den Schlägen der Nacht und dem Kampf tat ihm alles weh. Durch das Rauschen in seinen Ohren hörte er Charis’ heiseren Aufschrei, als sie auf ihn zurannte.
Unsicher schwankte er ihr entgegen, nahm
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