Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Campbell
Vom Netzwerk:
ihrem billigen, geliehenen Kleid und seinem viel zu langen Mantel, hätte sie lächerlich aussehen müssen. Doch ihre Schönheit strahlte wie ein Leuchtfeuer und raubte ihm den Atem.
    »Du wolltest sterben«, sagte sie niedergeschlagen.
    Er presste die Lippen zusammen. »Glaub mir, der Tod wäre mir nur recht gewesen. Doch ich war einfach zu verdammt stur, mich selbst umzubringen und diesen Dreckskerlen den Triumph zu gönnen, mich besiegt zu haben. Und trotz all der Schmerzen, die sie mir zufügten, konnten sie mir nie ganz den Garaus machen.«
    Sie hob das Kinn und warf ihm einen trotzigen Blick zu. Eine unerwartete Umbarmherzigkeit lag in ihrer Stimme, als sie sagte: »Also warst du doch ein Held.«
    Er erstarrte und trat zurück. Nein, er war kein Held. Ein Held bat nie um Gnade. Ein Held sehnte sich nicht nach dem Tod, um den Schmerzen eines weiteren Tages zu entgehen. Ein Held beugte sich nie den Teufeln in seinem Kopf.
    »Nein, ich war kein verdammter Held.«
    »Weil du dem Nawab erzählt hast, was er hören wollte.«
    »Glaub mir, den Mund zu halten hat meinen gesamten Mut aufgebraucht. Als die Kompanie mich endlich aus diesem Loch zog, war ich ein vor sich hinplappernder Irrer.«
    Der Laut, der daraufhin aus ihrem Hals zu hören war, machte deutlich, dass sie nicht seiner Meinung war, doch glücklicherweise sagte sie nichts weiter dazu. Ihre Anspannung drückte sich in ihren Gesichtszügen aus. »Und die Folter macht es dir nun unmöglich … jemanden zu berühren?«
    Er sah ihren scharfsinnigen Blick und wusste, dass es für Ausflüchte jetzt zu spät war. Er verschränkte die Arme in dem sinnlosen Versuch, sein Zittern zu verbergen. »Sie haben uns in diesem Loch aneinandergekettet und zurückgelassen.«
    Zuerst dachte er, sie hätte ihn nicht verstanden. Gott sei Dank.
    Aber dann bemerkte er, wie die wenige Farbe, die in ihrem Gesicht geblieben war, daraus wich.
    »Euch drei?«
    Er erstarrte. Verflucht, er hätte nie über seine Zeit in Indien sprechen sollen. Warum erfand er nicht eine harmlose Geschichte über seine Einkerkerung und spätere Rettung?
    Doch er konnte ihr nicht in die Augen sehen und lügen.
    »Ja.« Er würgte das Wort hervor. Er kämpfte gegen die Erinnerungen an, über Monate hinweg an verwesende Leichen gekettet gewesen zu sein. Einen feuchten, stickig heißen indischen Sommer lang. Über die grimmige Kälte des Winters hinweg. Immerzu dieser unerbittliche Gestank, die Verwesung von einstmals gesundem Fleisch.
    Das Grauen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Und ein Mitleid, das seinem Stolz einen Stich versetzte.
    Weil er es nicht ertragen konnte, dass sie sich auch nur ein Hundertstel von dem vorstellte, was er durchgemacht hatte, sprach er schnell. »Es war schon fast eine Erleichterung, als der Nawab mich der Menge zum allgemeinen Spott vorführte. Es gefiel ihm, sich einen Sahib als Gefangenen zu halten, der nach Aas stank und seine Nacktheit kaum verhüllen konnte. Ich war der Höhepunkt seines Diwans, bis der Gestank so schlimm wurde, dass selbst er es nicht mehr aushielt.«
    »Wie bist du entkommen?«, fragte sie heiser.
    »Britische Truppen setzten den Nawab ab. Akash drang mit den Streitkräften in Rangapindhi ein. Er wusste, dass ich irgendwo im Palast sein musste, falls ich noch am Leben war. Er fand mich in den tiefsten Tiefen der Kerker des Nawabs.«
    »Gott sei Dank hat dich Akash gefunden«, flüsterte sie und schloss kurz die Augen, als wären die Worte ein Gebet.
    »Ich hatte hohes Fieber, konnte kaum gehen, war halb verrückt.« Mehr als halb verrückt. Lange Zeit war er davon überzeugt, seine Rettung wäre nichts als ein weiterer Fiebertraum.
    Nachdenklich zog Charis die Augenbrauen zusammen. Ihre Stimme klang fester, wenngleich sie auch immer noch voller Emotion war. »Dein gesundheitlicher Zustand hat sich seither um vieles verbessert.«
    »Ich kann gehen und sprechen, ohne mich schämen zu müssen. Meistens. Eine ziemliche Leistung.« Er verkniff sich einen sarkastischen Unterton. Sie war nicht schuld an seinem erbärmlichen Zustand.
    Er ging wieder hinüber, um das Feuer zu schüren. Die aufflackernden Flammen brachten ihren düsteren, sorgenvollen Gesichtsausdruck zum Vorschein. Ungewohnte Schatten lagen in ihrem starren Blick. Er verfluchte sich, ein solch selbstsüchtiger Schweinehund zu sein. Er hätte sich besser ein Zimmer gesucht, seinen Rausch ausgeschlafen und sie ihren unschuldigen Träumen überlassen.
    Das Schlimme daran war, dass er es nicht

Weitere Kostenlose Bücher