Fesseln der Sünde
hysterischen Anfall, einen Wutausbruch, Tränen. Der Schock ließ ihn weitersprechen. »Ich hatte gehofft, mit einer Professionellen würde ich den Beischlaf hinkriegen. Ich habe seit Rangapindhi niemanden mehr aus freien Stücken berührt. Und du hast gesehen, was passiert, wenn ich es tue. Ich bin in einem erbärmlichen Zustand, um mit einer Jungfrau zu schlafen. Ich hatte gehofft … wenn ich eine Fremde berühren könnte, wäre ich in der Lage, auch dich zu berühren, unsere Ehe zu vollziehen, ohne dir dabei zu große Schmerzen zu bereiten oder zu ungeschickt zu sein.« Dann machte er das letzte bittere Eingeständnis. »Doch diese Frau zu benutzen fühlte sich zu sehr nach Verrat an.«
Ihr Lächeln wurde breiter, als ob er nicht etwas Schäbiges und Schmutziges, sondern etwas Wundervolles getan hätte. Zum Teufel noch mal, was war bloß los mit diesem Mädchen? Nichts von dem, was er sagte oder tat, egal wie gemein es auch war, konnte sie dazu bringen, ihn zu verabscheuen, so wie er es verdient hätte.
Er konnte es nicht länger ertragen, in ihr Gesicht zu sehen, dessen Schönheit, Ehrlichkeit, Liebe seine Seele quälte. Auf Beinen, die schwerer als Blei waren, ging er hinüber zum Fenster.
Der Himmel draußen wurde langsam grau. Seine Hochzeitsnacht war vorüber. Und seine Braut immer noch Jungfrau.
Sie tapste ebenfalls ans Fenster und stellte sich neben ihn. »Ein neuer Tag.«
»Vor uns liegt nichts als Dunkelheit«, erwiderte er grimmig und warf ihr einen Blick zu.
»Das glaube ich nicht.« Sie hörte sich müde, aber bestimmt an, als sie ihn ansah. Wie immer war er von der Ehrlichkeit in ihren Augen zutiefst getroffen.
»Du wirst es.« Er sank auf den Fensterplatz. Er fühlte sich leer und verloren. Er hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde, und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er Charis mit der Heirat nicht mehr Schaden zufügte, als ihre Stiefbrüder das je könnten.
Sie stand zu nahe bei ihm, doch wenigstens berührte sie ihn nicht. »Möchtest du ins Bett kommen?«, fragte sie zögerlich?«
»Nein.« In dem stärker werdenden Licht sah er ihr Gesicht deutlicher. Sie sah erschöpft und niedergeschlagen aus. »Geh du.«
Sie schüttelte den Kopf, kniete sich auf den dicken rotblauen Teppich zu seinen Füßen und zog den Mantel fest um ihre Schultern. »Du hattest weniger Schlaf als ich.«
»Daran bin ich gewöhnt.«
Sie zog die Knie an und umfasste sie mit ihren Händen. Mit ihrem zerzausten, offenen Haar sah sie absurd jung aus. Bis auf den Ausdruck in ihren Augen, der von herzzerreißender Erfahrung sprach. Sie hatte sich in der vergangenen Stunde geändert und etwas von seiner Düsterkeit übernommen.
Das, wovor er sich gefürchtet hatte, war eingetreten. Das Gift von Rangapindhi hatte ihr fröhliches Gemüt infiziert. Und es gab kein Gegenmittel.
Ihr Blick war düster, als sie auf die glühende Asche im Kamin schaute. Instinktiv hob Gideon die Hand, um über den weichen Schopf ihrer dicken Haare zu streichen und sie einen Moment lang zu trösten.
Dann fiel ihm ein, dass solche natürlichen Gesten ihm immer versagt bleiben würden. Sein Herz zog sich vor Schmerz zusammen, während er die Hand senkte.
14
Nur mit ihrem Hemd bekleidet, wartete Charis allein in dem großen Bett. Es war spät, nach Mitternacht, und während des Tages war es kälter geworden, sodass ein Feuer im Kamin brannte.
Durch die geschlossene Tür drang kein Laut aus dem Salon. Sie wusste, dass Gideon dort war und sich auf das vorbereitete, was er tun musste. So wie auch sie den Tag damit verbracht hatte, sich zu wappnen. Die Angst in ihrem Bauch schlug wilde Purzelbäume. Ihre zitternden Finger zogen an den Spitzenkanten des feinen Betttuches.
Könnte der Vollzug ihrer Ehe ihn in noch größere Finsternis stoßen?
Die Finsternis schwebte bedrohlich nahe. Das hatte sie gestern Abend gemerkt, als er ihr von Rangapindhi erzählt hatte. Das Ausmaß seines Leidens war kaum vorstellbar.
Könnte sie ihn heilen? Könnte das überhaupt irgendjemand?
Und dennoch mussten sie beide diese Nacht durchstehen. Sie hatte Gideon gesagt, sie könnte es tun. Doch mit jeder Sekunde, die verstrich und sie einsam in ihrem Bett lag, schwand ihre vermeintliche Tapferkeit. Er müsste bald auftauchen, ansonsten würde ihr Mut sie ganz verlassen.
Charis biss sich auf die Lippen, schloss die Augen und betete flüsternd um Stärke. Es nutzte nicht.
Als sie die Augen öffnete, stand Gideon auf der Schwelle. Die Türen des besten
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