Fesseln der Sünde
ertragen konnte, nicht bei ihr zu sein.
»Charis, ich habe Monate gebraucht, um mich zu erholen.« Es war besser für sie, der nackten Wahrheit ins Gesicht zu schauen, als sich der winzigen Hoffnung hinzugeben, er könnte ihr jemals einen gesunden Geist in einem gesunden Körper bieten. »Meine körperliche Verfassung ist gut und wird so bleiben, doch an den Teufeln in meinem Kopf hat sich nichts geändert. Und nichts wird sich je daran ändern.«
Sie schluckte wieder. Er erwartete, dass sie widersprach, doch sie sagte ganz ruhig, »Du glaubst, du wirst nie wieder eine andere Person berühren können?«
»Nur mit Schwierigkeiten.«
Ihr Gesichtsausdruck war unnachgiebig. »Wie kannst du dann hoffen, unsere Ehe vollziehen zu können?«
Er spannte sich an. Der Angriff war unerwartet. Seine Antwort kam aus dem tiefsten Innern seiner Seele. »Ich muss. Ich werde. Ich kann.«
Etwas in seinem Gesicht musste sie auf die Scham, die in seinem Bauch rumorte, aufmerksam gemacht haben. »Gideon, was ist los?«
Er schwenkte fort, obwohl sie sich ihm nicht näherte. Verflucht, warum sagte er ihr nicht einfach den Grund? Er verhielt sich, als hätte er etwas Falsches getan.
»Nichts.«
Ihre Stimme klang scharf. »Wo warst du heute Nacht?«
Warum musste sie so verdammt genau sein? »Das hab ich dir doch gesagt. Trinken. Ich bin in einen Streit mit ein paar Raufbolden geraten, die erfreulicherweise den Kürzeren gezogen haben.«
Daraufhin trat sie einen Schritt näher, ihre Röcke raschelten. O Gott, bitte lass sie ihn nicht berühren. Nicht jetzt. Nachdem er ihr von Rangapindhi erzählt hatte, fühlte sich seine Haut an, als hätte er sie in mehreren Schichten abgeschält.
Sie atmete lange und ungeduldig aus. »Da ist noch mehr.«
O ja, da hatte sie verdammt recht.
Ein Gefühl der Schuld stieg in ihm hoch und rang mit dem absurden Bedürfnis, alles zuzugeben und die Absolution erteilt zu bekommen. Dabei wusste er, dass es für ihn keine wahre Absolution gab, weder für diese Sünde noch für seine anderen, abscheulicheren Vergehen.
Sie wartete auf seine Antwort. Eigenartig, wie er die quälenden Verhöre in Rangapindhi hatte aushalten können, ohne zusammenzubrechen, die gespannte Stille seiner Frau ihn aber so nervös machte, dass er kurz davor war, seine Geheimnisse preiszugeben.
Zur Hölle, warum sollte sie nicht wissen, was er heute Nacht gemacht hatte? Vielleicht war es besser für sie, zu erkennen, was für eine Memme sie geheiratet hatte? Er hatte so häufig versucht, es ihr zu sagen, doch sie hatte sich geweigert, seinen Worten Beachtung zu schenken. Der Teufel sollte sie mit ihrer törichten Sturheit holen.
Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, drehte sich um und musterte sie über seine lange Nase hinweg. »Ich war bei einer Hure«, sagte er hart.
Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich vor Schmerz, und sein Magen zog sich vor Reue zusammen. Sie blieb zitternd einen Meter vor ihm stehen. »Was … was hast du mit ihr gemacht?«, fragte sie und schwankte dabei.
Gideons schuldiger Trotz löste sich schlagartig in Nichts auf. Er war gänzlich angewidert. Von sich. Von der Welt, von jedem verfluchten Teil der Schöpfung.
Nur nicht von der Frau, die er geheiratet hatte.
Er vermied es, ihr in die Augen zu blicken, in denen kein Vorwurf, sondern nur gequälte Neugierde lag. Scham stieg wie bittere Galle in ihm hoch. Manchmal war sie so erdrückend, dass er dachte, daran zu sterben.
Seine Stimme war tonlos, als er die peinliche Wahrheit zugab. »Nichts, rein gar nichts.«
Ohne sie anzusehen, wusste er, dass die Spannung von ihr abfiel. Er machte sich auf eine Flut von Fragen gefasst, doch sie sagte nichts, wodurch er sich gezwungen sah, ihr alles zu erklären.
»Ich konnte nicht. Ich dachte …« O Gott, war das demütigend. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er schnappte nach Luft, die in dem dunklen Raum anscheinend knapp war. »Ich dachte … ich denke, ich werde dir wehtun, wenn ich … wenn ich mit dir schlafe. Ich dachte, wenn ich die Spannung herausnehme, würde es für dich einfacher werden. Ich würde eher mein Leben lassen, bevor ich … bevor ich dir wehtue.«
O Gott, er stammelte wie ein beschämter Schuljunge. Hitze kroch ihm den Nacken hoch.
Er wagte es, sie kurz anzuschauen. Erstaunlicherweise formten ihre Lippen ein schwaches Lächeln, obwohl ihre Augen immer noch finster waren. »Mir ist es lieber, du tust mir weh, als dass du zu einer anderen Frau gehst.«
Er erwartete einen
Weitere Kostenlose Bücher