Fesseln der Unvergaenglichkeit
unseren Seelen verbinden.« Er schluckte und sah seine Familie vor sich. »Die Viscontis werden ihre Kraft verlieren und als gefallene Kreaturen in der Kanalisation dahinvegetieren.« Erschöpft ließ er sich neben Iwan auf einen zierlichen Louis XV. Stuhl fallen und starrte die kristallene Wasserkaraffe an, die auf einem antiken Tisch stand. Er unterdrückte seinen Durst und stellte die Frage, die ihm brennend auf der Zunge lag. »Als ich dir damals erzählte, was vorgefallen war, hast du gesagt, es gäbe einen Ausweg. Welchen?«
Iwans Züge blieben verschlossen, als er aufsprang und ziellos durch den Raum ging. Er glich einem aztekischen Gott, als er vor Leonardo stoppte. Wie ein Orakel durchschnitt seine Stimme die Stille. »Schwarze Magie. Onkel Alabert benutzt sie, um Flüche abzuwehren.«
»Schwarze Magie?« Die Worte gruben sich wie Messerstiche in Leonardos Magen. »Ist das meine letzte Hoffnung?«
Iwan nickte mit wässrigen Augen.
»Es ist eine Sünde, seine Seele an die Schwarze Magie zu verkaufen«, flüsterte er mit einem Kratzen im Hals.
Iwan schlug mit den Fingern ein Kreuz in die Luft und sah Leonardo mutlos an. »Die Schwarze Magie würde unsere Freundschaft für immer zerstören. Du kennst die strengen Gesetze. Jeglicher Kontakt mit gläubigen Vampiren wäre dir untersagt.«
Leonardo erhob sich mit einer heftigen Bewegung. »Aber ich könnte meine Familie retten und …«
Der grelle Klingelton verschluckte den Rest seiner Worte.
Iwan hechtete am Tisch vorbei zur Tür. Leonardo starrte seinem Freund nach. So hatte er ihn noch nie gesehen. Er zitterte vor Aufregung und seine Seele glühte in einem Farbenspiel, das Leonardo so noch nie erlebt hatte. Er wusste instinktiv, dass dieses intensive Phänomen nur bei einer Erleuchtung oder bei einer einzigartigen Liebe vorkam.
Leonardo witterte es durch die Tür. Ein Mensch. Er verschwand auf dem Balkon, bevor die Frau den Raum betrat, zu aufgewühlt, um einer von Iwans vielen Bekanntschaften zu begegnen. Hibiskus und Rotahorn, die den Dachgarten dominierten, schimmerten rötlich in der untergehenden Sonne. Der Kies unter seinen Fersen knirschte mit dem fernen Brausen der Autos um die Wette. Leonardo ließ sich auf einen Holzstuhl fallen, wehrte sich gegen den betörenden Geruch von Zitronenmelisse. Der Duft kroch in seine Glieder, machte sie schwer und willenlos. Er durfte sich nicht entspannen.
Iwans Vorschlag hing wie eine dunkle Verführung über ihm. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und ganz langsam ließ seine Abwehr nach. Unaufhaltsam erlag er der Versuchung, die Schwarze Magie als rettenden Engel anzusehen. Iwans Worte hallten in seinen Ohren und lullten ihn ein.
Die Schwarze Magie kann Flüche abwehren.
Ein heller Strahl stach ihm in die Augen. Er blinzelte erschrocken. Die Sonne versank wie ein Feuerball hinter den Wolkenkratzern von New York. Leonardo sprang auf. Was war nur mit ihm los? Niemals würde er sich an die Schwarze Magie verkaufen. Er musste mit Neele sprechen. Sie war der Schlüssel, warum hatte er nicht früher daran gedacht? Die Lix hatten Verbindungen zur Weißen Magie.
Mit einem Satz sprang er auf die Brüstung und schnellte sofort zurück. Es war Abend, er konnte nicht hinunterspringen, ohne die Menschen in Panik zu versetzen. Er stürmte durch die Balkontür hinein und erstarrte.
Iwan saß auf dem grauen Sofa und seine Arme hielten wie Tentakel eine blonde Frau umschlungen. Sie lächelte selig und drückte ihren Hals an Iwans Mund.
»Stopp sofort diesen Unsinn«, fauchte Leonardo.
Iwan sah erschrocken auf. »Ich kann ihrem Blut nicht widerstehen.«
Leonardo stürzte sich auf Iwan. Die Frau sprang mit einer für Menschen blitzschnellen Bewegung auf. Erstaunt sah Leonardo sie an, dann packte er Iwan. Er musste die grausame Wahrheit notfalls in ihn hineinprügeln, damit sie in seinem imposanten Kopf endlich verankert blieb. Er sprach so leise, dass die Frau es nicht hören konnte.
»Wenn sie herausfindet, was du bist, musst du sie in einen normalen Vampir verwandeln lassen. Du weißt genau, dass es für uns Königsvampire nichts Abstoßenderes gibt als diese grässlichen Kreaturen, die sich ausschließlich von Menschenblut ernähren.« Iwan ließ sich wortlos schütteln. Er sah Leonardo voller Verzweiflung an.
»Ich habe noch nie derart heftig für eine Frau empfunden«, wisperte er. »Ihr Duft lässt mich alles vergessen. Sie löst einen Durst aus, den ich nicht kontrollieren kann. Bitte hilf mir, damit ich
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