Fesseln der Unvergaenglichkeit
Bildschirm. Er wollte schon weiterzappen, als eine Frau durch die Studiotür erschien. Sie begrüßte die Moderatorin und setzte sich mit grazilen Bewegungen auf den leeren Platz. Falkos Blick folgte ihr gebannt. Die Moderatorin stellte Fragen und die Frau antwortete lächelnd. Mit ihren dunklen Augen sah sie direkt in die Kamera. Falko erzitterte. Er musste ihren Namen herausfinden, aber offensichtlich hatte die Moderatorin ihn erwähnt, bevor er zugeschaltet hatte. Er starrte auf den Bildschirm. Er hatte das Gefühl, der Blick der jungen Frau galt nur ihm allein. Sie sah ihn direkt an, suchte ihn, obwohl sie nicht wissen konnte, wer er war. Er sprang auf und trat vor den Bildschirm. Er wollte sie berühren, das Verlangen wiederfinden, auf das er so lange verzichtet hatte und das ihm niemand anderes geben konnte. Falko verschlang sie mit seinem Blick. Die Frau beantwortete Fragen über ihr Berufsleben. Ihre Hände unterstrichen ihre Worte. Falko horchte atemlos zu. Sie sprach nur zu ihm, damit er alles über sie erfahren konnte. Die Moderatorin stellte eine Frage, die sie nur zögerlich beantwortete. Falko trat einen Schritt zurück. Seine Hände schlossen sich zu Fäusten. Sie musste weitersprechen, durfte ihm nichts aus ihrem Leben verheimlichen. Er hasste die Moderatorin, denn sie hatte das große Glück, ihr nahe zu sein, ihren Körper neben sich zu fühlen und mit ihr zu sprechen. Falko atmete tief ein. Er konnte nach der langen Zeit nicht glauben, dass sein Flehen erhört wurde und er sie endlich wiedergefunden hatte. Die Frau verabschiedete sich von der Moderatorin und verschwand vom Bildschirm. Falko nahm die Fernbedienung, stellte den Fernseher ab und ging durch den hohen Raum. Neben dem Sofa, das vor dem Kamin stand, stoppte er. Er hatte die Macht der Verbindung unterschätzt. Er stöhnte auf vor Begierde und stützte sich an den hervorstehenden Ziegelsteinen ab. Sein bezwungen geglaubtes Verlangen loderte auf. Er hob seinen Kopf zur Decke. »Satan, erbarme dich mein in meiner tiefen Not. Du, der auch die Todesnacht zur Liebsten und zur Herrin wählst. Mit ihr die Hoffnung zeugst, die wunderschöne Närrin.« Mit immer höherer Intensität wiederholte er die Worte. Schweißperlen tropften ihm von der Stirn. Völlig durchnässt und zitternd beendete er seine Beschwörung mit dem Satansgruß. Er ließ sich schwerfällig auf das Sofa fallen, riss sich zusammen und drückte sein Kreuz durch. Sein unkontrollierbares Begehren durfte ihn nicht von seinem Plan abbringen.
Kapitel 2
Gefahr
»Toi, toi, toi für deinen großen Abend.« Johannes, der junge Pförtner, steckte den hellblonden Kopf durch das Fenster seiner Überwachungskabine und lächelte vielsagend.
Aiyana durchfuhr ein kalter Schauder. Heute Abend tanzte sie das erste Mal als Solistin. Ihre Füße verwandelten sich vor Aufregung in Betonklötze, ihre olivgrüne Tweedjacke fühlte sich schwer an, als wollte sie sie zu Boden zerren. Sie erwiderte das Lächeln des Pförtners, doch ihre Gesichtsmuskeln fühlten sich an wie zähes Kaugummi.
Mit schweren Schritten kämpfte sich Aiyana zum Lift des Theaters. Der mächtige Bau wirkte von außen wie ein Triumphbogen aus Glas und Stein. Das American Ballett Theater war hier zu Hause und jeder junge Tänzer von Amerika träumte davon, ein Mitglied dieser Truppe zu sein. Ihr Traum hatte sich vor einem Jahr erfüllt, und noch immer konnte sie ihr Glück kaum fassen. Mit klopfendem Herzen betrat sie den Aufzug. Heute Abend würde sie als Giselle auf der Bühne stehen, vor Tausenden von Augenpaaren.
Im fünften Stock riss Conchitta die Glastür auf. Mit spanischem Temperament zog die Garderobiere Aiyana aus der Aufzugskabine. »Du bist spät! Gott, steh uns bei. Zum Glück habe ich deine Kostüme schon vorbereitet.«
Aiyana schüttelte nur den Kopf. Sie war mehr als zeitig da. Als wenn sie bei ihrem ersten Soloeinsatz zu spät kommen würde …
Sie folgte Conchitta in die Garderobe. Ein großer Strauß roter Rosen stand neben dem Spiegel, der beinahe die ganze Wand ausfüllte. Neugierig öffnete Aiyana die Karte.
Ein großes Toi, toi, toi für die schönste Giselle, die ich je gesehen habe, wünscht dir Viorel.
Die Worte verschwammen vor ihren Augen. Die Prophezeiung ihrer geliebten Ballettlehrerin zu Hause in North Carolina hatte sich erfüllt. Sie war erste Solistin, obwohl ihre Mitschülerinnen sie oft, wenn Mrs. Miller es nicht sah, als unbegabte, schmutzige Indianerin beschimpft
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