Fesseln des Schicksals (German Edition)
Gespräch unter uns bleibt.»
«Ja, Master David.» Anscheinend war David nicht bewusst, dass Katherine nicht das geringste Interesse daran hatte, irgendetwas von diesem Gespräch zu erfahren.
Jetzt wandte ihr Herr sich wieder seinen Papieren zu. Das Gespräch war beendet.
Die Unterredung mit David hatte Molly endgültig aus ihrem zerbrechlichen Gleichgewicht gerissen. Sie musste erst einmal tief durchatmen. Anstatt gleich in ihr Zimmer zu gehen, trat sie aus der Küche nach draußen.
Die Luft war kühl. Bis jetzt war der Oktober warm gewesen, es hatte kaum geregnet. Aber in dieser Nacht kam es Molly so vor, als würde sie die Feuchtigkeit wahrnehmen, die ein Gewitter ankündigt. Sie atmete tief ein. Nach dem kurzen Gespräch fühlte sie sich kraftlos. Sie sehnte sich nach Frieden.
Als sie dort auf der hinteren Veranda des Hauses stand, suchte sie im Himmel nach etwas Vertrautem. Aber sogar die Sternbilder erschienen ihr fremd. Hier war ihr Licht viel schwächer und kälter als am Himmel über New Orleans, wo man den Eindruck hatte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um sie berühren zu können. Die Sterne über New Fortune waren schrecklich weit weg.
Molly seufzte. Sie vermisste den Duft der Magnolien und die Gerüche der scharfen Gewürze, die in der Luft hingen. In New Orleans hörte man nachts immer das entfernte Echo irgendeiner Gruppe Musikanten. Die schwüle Hitze hinderte die Menschen am Schlafen, und so waren die Straßen bis in die frühen Morgenstunden hinein voller Leben.
Sie vermisste ihr Zuhause. Der Gedanke überraschte sie. Nie zuvor hatte sie an Deux Chemins als an ihr Zuhause gedacht. Sie hatte erst Hunderte von Meilen reisen müssen, um das herauszufinden.
Wehmütig erinnerte sie sich an die nächtlichen Spaziergänge mit Katherine am Ufer des Sees, an ihr Zimmer und ihr ganzes früheres Leben. Wie ihr das alles fehlte. In New Orleans kannten sie alle und wussten, welches ihre Stellung war. Dort war das Leben viel einfacher gewesen.
Müde lehnte sie sich an eine der Säulen der Veranda. Nicht weit von hier, hinter den dunklen Umrissen der Bäume schliefen die Sklaven in ihrem Hüttendorf. Vielleicht wäre es besser, dort zu sein, dachte sie, verwarf diesen Gedanken aber sofort mit einem gewissen Unbehagen, als sie sich vorstellte, was für ein elendes Leben sie an diesem Ort führen würde. Immer schon hatte sie unter Weißen gelebt, und sie konnte es sich nicht vorstellen, auf die Annehmlichkeiten des Herrenhauses zu verzichten und in eine kalte und dreckige Holzhütte zu ziehen. Außerdem wäre sie dort nicht weniger ein Eindringling.
Noch einmal sog sie die reine Luft ein. Es war Zeit, in ihre Dachkammer hinaufzusteigen, am nächsten Morgen würde sie früh aufstehen müssen.
Gerade wollte sie die Küche betreten, als eine Gestalt aus dem Schatten trat. «Ein schöner Abend», sagte eine Stimme, und kurz darauf erkannte Molly ihren Besitzer.
«Master Owen», rief sie aus und trat einen Schritt zurück.
«Kannst du nicht schlafen?»
Molly gab keine Antwort. Wie lange mochte dieser Mann schon dort gestanden haben? Bei der Vorstellung, dass er sie in der Dunkelheit beobachtet hatte, bekam sie eine Gänsehaut.
Owen indessen schien durch das Schweigen der Sklavin nicht entmutigt zu werden. In aller Ruhe nahm er seine Pfeife aus der Brusttasche und riss ein Streichholz an der Säule an, an der Molly eben noch gelehnt hatte. Starker Geruch nach Tabak durchdrang die Luft.
Molly wollte an ihm vorbei ins Haus gehen, aber plötzlich hatte der Aufseher mit seinem Körper die Küchentür verstellt. Als sie sich nach rechts wandte, um ihm auszuweichen, trat er ihr wieder in den Weg.
Während Angst sich in ihrem Herzen ausbreitete, suchten ihre Gedanken verzweifelt nach einem Ausweg. In der Küche war niemand mehr, der ihr hätte helfen können. Olivia, Thomas und Latoya waren schon vor einer Weile ins Bett gegangen. Zwar waren ihre Kammern nicht weit weg, aber wenn es dem Aufseher einfallen würde, sie mitten auf dem Küchenfußboden zu vergewaltigen, könnten ihn nicht einmal zwei Millionen Sklaven davon abhalten. Kein Sklave auf New Fortune hätte je gewagt, sich ihm entgegenzustellen. Wäre sie doch nach dem Gespräch mit David direkt auf ihr Zimmer gegangen! Das war es! Master David war noch wach. Owen würde niemals riskieren, sich von David mit der Sklavin seiner Ehefrau erwischen zu lassen. Irgendwie musste sie ins Haus gelangen. Dort würde sie sicher sein.
Aber bevor Molly etwas
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