Fesseln des Schicksals (German Edition)
«Weißt du, was er von mir will?»
Thomas schüttelte den Kopf. «Nein. Aber er sieht ärgerlich aus.»
Schweigend nickte Molly. Ihr stockte der Atem, wie immer, wenn sie nervös war.
«Soll ich auf dich warten?»
Molly konnte zuerst gar nicht darauf antworten. Natürlich war ihr klar gewesen, dass David den Vorfall bei den Burtons nicht einfach vergessen würde, aber da er sie nicht sofort zu sich bestellt hatte, hatte sie zu hoffen gewagt, dass er die Angelegenheit auf sich beruhen lassen würde. Sie sah Thomas an. «Danke, aber es ist schon spät, und du musst morgen früh aufstehen.»
Thomas lächelte. Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass jemand außer Katherine ihr zulächelte.
Molly verließ die Küche und ging in die Bibliothek. Ihr Kopf explodierte beinahe vor Furcht. Seit diese schreckliche Gwendolyn Burton beschlossen hatte, ihre Wut an ihr auszulassen, hatte sie gewusst, dass dieser Moment kommen würde.
David bemerkte sie zunächst nicht. Er schien in die Lektüre einiger Papiere vertieft, die neben einer Tasse Kaffee auf dem Tisch verstreut lagen. Eine Öllampe tauchte den Raum in ihr orangefarbenes Licht.
Molly zögerte. Sollte sie eintreten oder warten, bis David ihrer gewahr wurde? Schließlich entschloss sie sich, vorsichtig an den Türrahmen zu klopfen.
David hob seinen Blick nur so weit, dass er erkennen konnte, wer ihn störte. «Ah, du bist es», sagte er und wirkte verärgert über die Unterbrechung. Er wandte sich wieder den Papieren zu und nahm einen Schluck vom noch dampfenden Kaffee.
«Verzeihung, Herr», antwortete Molly mit dünner Stimme. «Thomas hat mir gesagt, dass Ihr mich sehen wollt.»
«Ja. Komm herein.»
Molly schwitzte, als sie die Tür hinter sich schloss. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um das Zittern zu verbergen, das ihren Körper schüttelte.
«Komm näher.»
Molly gehorchte. Obwohl sie direkt vor David stand, sah dieser sie nicht an. Er war vollends damit beschäftigt, ein Buch mit grünem Einband aus einem Stapel auf der hinteren Ecke des Schreibtisches zu ziehen.
«So kann es nicht weitergehen.»
Molly spürte, wie ihre Wangen brannten. Fast war sie dankbar dafür, dass David sie noch kein einziges Mal angesehen hatte.
«So ein Vorfall wie heute darf sich auf keinen Fall wiederholen.»
Am liebsten wäre Molly in den Boden versunken, aber die Erde machte keine Anstalten, sich zu öffnen. «Es tut mir schrecklich leid, Herr», stotterte sie, «ich schwöre, dass so etwas nicht wieder vorkommt.»
Endlich blickte David von seinem Buch auf und sah Molly direkt ins Gesicht. Seine Augen waren kalt geworden. Molly erinnerte sich an diesen Blick. Schon einmal hatte sie diesen Ausdruck an ihm gesehen, in New Orleans, als er erfahren hatte, dass sie eine Sklavin war. Damals hatte sie geglaubt, dass sie es sich vielleicht nur eingebildet hatte, aber jetzt verstand sie. Dieser Mann verachtete sie zutiefst.
«Das hier ist nicht New Orleans», warnte er sie. «Wir sind in Virginia, und du musst wissen, wo dein Platz ist.»
Molly schwieg. Auch wenn seine Stimme ruhig war, sie konnte diese kalten Augen nicht vergessen, die ihr das Herz gefrieren ließen. Als hätte sie nicht immer gewusst, wo ihr Platz war, dachte sie. Schon mit sechs Jahren hatte sie das herausgefunden, als sie gewagt hatte, ihrer ersten Herrin zu widersprechen. Damals hatte sie eine Tracht Prügel bezogen, die Narben konnte man noch immer auf ihrem Rücken sehen. Dann hatte man sie verkauft. Seither hatte sie in Katherines Diensten gestanden, und eigentlich war es Katherine, die vergessen hatte, wo der Platz ihrer Sklavin war.
«Ich bitte um Verzeihung, Herr», sagte sie noch einmal und senkte den Kopf, um seinem Blick auszuweichen.
«Dein Aufzug ist nicht sehr hilfreich dabei.»
Molly war sich bewusst, dass er recht hatte. Es war nicht nur ihr Aussehen, ihre zu helle Haut. Noch dazu trug sie ein schöneres Kleid, als viele weiße Frauen es sich erlauben konnten. Dabei gefiel es Molly nicht einmal, sich so herauszuputzen. Schließlich konnten sich die Weißen dann noch weniger vorstellen, dass eine Person mit ihren Gesichtszügen, der hellen Haut und der gepflegten Ausdrucksweise eine Sklavin war. Katherine aber bestand darauf, dass sie sich gut kleidete. Schließlich kostete es kaum Mühe, und sie wäre doch viel schöner anzuschauen. «Ich versichere Euch, dass es nicht wieder vorkommen wird, Herr.»
«Noch etwas.»
Molly erstarrte.
«Ich vertraue darauf, dass dieses
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