Fesseln des Schicksals (German Edition)
in der Tür. Die Eheleute sahen sich an. Molly ließ Katherines Haar offen über ihre nackten Schultern fallen, legte die Bürste auf die Kommode, hob das Kleid vom Boden auf und verließ den Raum.
Nicht einmal Katherines freundliche Worte hatten die Sorgen vertreiben können, die Mollys Herz bedrückten. Sie konnte nicht aufhören, an diesen Vorfall zu denken. Wie immer hatte Katherine die Sache heruntergespielt, aber Molly ahnte, dass David Parrish nicht so nachgiebig sein würde.
Mit dem ausladenden Kleid ihrer Herrin in der einen Hand und der Öllampe, mit der sie die enge und steile Dienstbotentreppe beleuchtete, in der anderen stieg Molly vorsichtig in die Küche hinunter.
Auf den letzten Stufen erkannte sie Thomas’ offenes Lachen. Er amüsierte sich prächtig über einen von Olivias unvorsichtigen Scherzen über die Herrschaft. Die Nacht war so still, dass man ihre Worte auch außerhalb der Küche gefährlich gut hören konnte. Aber sobald die beiden Sklaven Molly bemerkten, verstummten sie.
«Guten Abend», sagte Molly, aber keiner der beiden antwortete. Wie immer sah Olivia sie nicht einmal an, sondern grunzte nur und sah nach, ob das Wasser auf dem Herd endlich kochte. Thomas, der vor der Speisekammer saß, nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss genüsslich die Augen.
Der Herr wollte sich also noch nicht zurückziehen, dachte Molly, sonst hätte Thomas schon die Erlaubnis bekommen, ins Bett zu gehen, und Olivia würde zu so später Stunde keinen Kaffee mehr kochen. Vielleicht würde David, nachdem er mit Katherine geschlafen hatte, wieder ins Arbeitszimmer gehen und noch arbeiten.
Molly war müde. Die heftigen Gefühle dieses Tages hatten sie erschöpft. Sie wäre Olivia und Thomas für ein paar tröstende Worte dankbar gewesen, aber die beiden hatten sie immer wie eine Fremde behandelt. Sie hätte sich an das Misstrauen gewöhnen sollen, das ihre Gegenwart bei den übrigen Sklaven weckte, aber sie konnte es einfach nicht.
Fast konnte Molly hören, wie ihr Herz vor Traurigkeit zersprang. Am liebsten hätte sie geweint. Doch noch konnte sie sich nicht in die Sicherheit ihres Zimmers zurückziehen, wo ihre Hautfarbe weder Schwarze noch Weiße störte. Das musste warten. Zuerst musste sie den Saum von Katherines Kleid säubern und flicken.
Es wäre schön gewesen, in der Küche bleiben zu können und bei der Arbeit mit den anderen zu plaudern. Was hätte sie darum gegeben, sich neben Thomas zu setzen und sich von seinem Lachen anstecken zu lassen. Aber wie immer wollte sie niemanden stören und es allen nur recht machen. Und je mehr sie sich darum bemühte, desto weniger kam dabei heraus. Nun, diese Nacht würde sie ohnehin keinen vorwurfsvollen Blick mehr ertragen. Sie begab sich also in die kleine Kammer neben der Küche, in der die Bügelwäsche aufbewahrt wurde. Sie schloss die Tür hinter sich, stellte die Öllampe neben einen großen Haufen Bettwäsche, der noch nicht zusammengelegt worden war, auf den Tisch.
Kaum hatte sie sich an die Arbeit gemacht, hallte das Lachen von Thomas und Olivia wieder durch die Dunkelheit.
Fast eine Stunde später hatte Molly den Saum mit einem feuchten Tuch von Erde befreit und die Stellen, an denen die Naht aufgegangen war, wieder festgenäht. Dann legte sie das Kleid vorsichtig über einen Stuhl, damit es keine Falten bekam. Am nächsten Tag wäre es trocken, und Molly könnte es wieder an seinen Platz in Katherines Kleiderschrank hängen.
Als sie aus der Kammer trat, brannte in der Küche noch ein Licht, aber es war niemand da. Olivia hatte sich wahrscheinlich bereits in das Zimmer zurückgezogen, das sie mit Latoya teilte, es ging von einem der hinteren Flure ab.
Der kräftige Kaffeeduft und die Schüssel mit Äpfeln auf dem Tisch erinnerten Molly daran, dass sie seit Stunden nichts mehr zu sich genommen hatte, aber trotz ihrer Schwäche konnte sie nichts essen. Ihr Magen hatte sich schmerzhaft zusammengezogen, und für einen Moment hatte sie fast das Gefühl, das würde sich nie mehr ändern.
Gerade wollte Molly in ihr Zimmer hinaufgehen, als Thomas mit einem Tablett unter dem Arm in der Küche erschien.
«Gute Nacht», verabschiedete Molly sich mit einem leisen Gähnen und erwartete eigentlich keine Antwort.
«Du sollst zum Herrn kommen», sagte Thomas, als Molly mit ihrem zarten Schuh schon auf die erste Stufe getreten war.
Vor Schreck blieb ihr das Herz stehen. Fragend blickte sie den Sklaven an.
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