Fesselnde Entscheidung (German Edition)
mit den Händen zu greifen. Zehn erhitzte Gemüter saßen um einen ovalen Tisch im Ahorn-Dekor herum verteilt und diskutierten wild, was nicht zuletzt am Temperament der angereisten Gäste lag. Die heruntergezogenen blauen Rollos und die kaputte Klimaanlage schienen ihren unermüdlichen Beitrag leisten zu wollen, die Atmosphäre noch weiter aufzuheizen.
Der Mann der Stunde war Löser. In perfektem Englisch leitete er die Diskussion, gab gekonnt klare Statements ab und fasste das Gesagte zum Vorteil der Firma zusammen.
Schulte war mehr Zuhörer und Beobachter, als dass er aktiv in das Geschehen eingriff. Das hätte er auch nur getan, wenn es unbedingt erforderlich geworden wäre. Löser genoss sein absolutes Vertrauen.
Überrascht stellte Schulte fest, wie elegant die sechs Gäste in ihren schwarzen Maßanzügen mit ihren strahlend weißen Hemden, geschmackvollen Krawatten und frisch polierten Lederschuhen gekleidet waren. Was hatte er auch erwartet? Dass sie in Leinentüchern erscheinen würden? Er musste über sich selbst schmunzeln. Aber dann fiel sein Blick wieder auf den leeren Platz rechts neben ihm. Wo ist Elli bloß, fragte er sich sichtlich beunruhigt. Was war nur passiert? Ihn beschlich das ungute Gefühl, Ellis Abwesenheit könne etwas mit der Konferenz zu tun haben.
*
Besser hätte der Termin nicht verlaufen können. Wider Erwarten waren sie sich nach vier äußerst anstrengenden Stunden überraschend doch noch einig geworden, und dass auch noch in allen Punkten. Am meisten Zeit hatte die Diskussion über das Finanzielle in Anspruch genommen. Sie verhandelten zäh, konnten aber einen Kompromiss finden, der für die Firma gerade noch tragbar war.
Schulte fühlte sich grandios, das Projekt konnte tatsächlich starten. Nie im Leben hatte er damit gerechnet, dass die Verträge bei diesem ersten Treffen bereits unterzeichnet werden würden. Gut gelaunt und erleichtert fuhren Schulte und Löser mit dem Fahrstuhl in den 3. Stock, wo sich ihre Büros befanden.
»Löser, Sie sind heute über sich hinausgewachsen. Die Firma verdankt Ihnen sehr viel. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.«
»Das ist doch selbstverständlich. Diese Firma ist mein Leben.«
Schulte drückte Löser die unterschriebenen Kontrakte in die Hand und stoppte vor den Sanitärräumen.
»Würden Sie mir die Unterlagen bitte auf meinen Schreibtisch legen? Ich lege sie dann gleich in den Tresor, muss aber erst noch wohin.«
Löser nickte. »Natürlich. Ich gehe dann aber schon. War heute doch ganz schön anstrengend.«
»Schönen Feierabend! Den haben Sie sich wahrlich verdient.«
5. Kapitel - Montag, 08.09
Nach dem Verlust ihres Orientierungssinns hatte sie auch jedes Zeitgefühl verloren. Sie vermochte nicht zu sagen, ob sie fünf Minuten oder eine Stunde mit dem Auto gefahren waren. Sie spürte nur, dass der Weg unebener und holpriger wurde, weil sie mit einem Mal stärker hin und her gerüttelt wurde.
Als der Wagen dann nach einer Weile abrupt zum Stillstand kam, begann ihr Herz wieder zu rasen. Während der Fahrt war ihr Herzschlag nie auf ein Normalmaß zurückgekehrt, hatte sich aber auf einem hohen Niveau relativ konstant eingependelt.
Der Kofferraum sprang auf. Sie sog die frische Luft tief in ihre Lungen ein. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie stickig es im Kofferraum gewesen war.
Er packte sie am Arm und half ihr sich aufzurichten. Dann hob er sie heraus, stellte sie kurz ab, nur um sie sich gleich wieder über die Schulter zu legen und marschierte los. Sie verdrängte ihre bösen Vorahnungen durch Stoßgebete, die sie pausenlos zum Himmel sendete. Irgendwie waren sie in einem Haus gelandet. Ihr kroch ein muffiger, abgestandener Geruch in die Nase. Sie hatte nicht gehört, wie eine Tür aufgeschlossen wurde, spürte aber instinktiv die neue Umgebung. Er trug sie abwärts eine Treppe hinunter in den Keller. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, ein Verlies. Er lud sie ab und sagte, dass sie sich hinsetzen solle. Sie spürte die Kälte des Bodens an ihren nackten Füßen und die kalte Wand an ihrem Rücken. Irgendwo tropfte Wasser.
»Ich komme wieder, keine Angst«, sagte er mit leisem Ton und verließ den Raum. Die Tür knarrte beim Zuziehen, sie hörte wie ein Schlüssel zweimal im Schloss umgedreht wurde.
Ihre Tränen bahnten sich ihren Weg durch ihre Augenbinde, liefen an ihrem Gesicht hinab und tropften schließlich auf ihr T-Shirt. Sie weinte hemmungslos und hoffte, dass ihre Tränen ein Stück von
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