Fesselnde Entscheidung (German Edition)
warum! Die Politiker sind schuld! Die Gefängnisse sind maßlos überfüllt. Die wissen nicht, wohin mit den ganzen … dem ganzen kriminellen Pack!“
Elisa schluckte trocken und rang um Fassung. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte es schon vorher gewusst, über Umwege von seiner Anwaltskanzlei. Zwar nicht den genauen Zeitpunkt, aber dass es bald so weit sein würde. Jetzt war es also so weit.
Erbost warf Basti die Zeitung auf den Tisch, stand auf, stellte sich hinter Elisas Stuhl und umarmte sie zärtlich.
„Das tut mir so leid, Elli! Das muss furchtbar für dich sein!“, sagte er leise und fügte etwas lauter hinzu, „und das muss man auch noch aus der Zeitung erfahren!“
Elisa streichelte seinen Arm und sagte, nachdem sie erneut trocken geschluckt hatte, „geht schon. … Das ist alles lange her. Er hat seine Strafe bekommen. Ich habe ihm verziehen. Auch wenn ich es nie vergessen werde“, dann drehte sie sich zu ihm um, schaute ihrem Mann in die Augen und ergänzte, als sie seinen mitfühlenden Blick sah, „wirklich, Basti. Es ist alles gut.“
Er strich ihr liebevoll über ihre Wange, stellte sich dann an das bodentiefe Fenster und schaute in den großen Garten hinaus. Er erblickte Amelie, wie sie übermütig auf ihrem neuen Trampolin hüpfte. Kopfschüttelnd drehte er sich wieder zu Elisa um, „soll ich nicht versuchen, irgendeine Verfügung zu erwirken? Keine Ahnung, … dass er sich dir nicht nähern darf, oder so?“
Das wäre das Beste, war ihr erster Gedanke. Aber stattdessen sagte sie, „nein, Basti, das ist echt lieb“, und schüttelte leicht mit den Kopf, „aber wie gesagt, alles ist gut.“
Nichts war gut. Es war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an ihn gedacht hatte. Es war kein Tag vergangen, an dem sie kein schlechtes Gewissen gehabt hatte – mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Elisa liebte ihre Tochter über alles. Und doch fraß es sie innerlich auf, weder ihr noch irgendjemandem sonst sagen zu können, wer ihr tatsächlicher Erzeuger gewesen war.
Elisa hatte eine schlaflose Nacht. Die Tatsache, dass er nun auf einmal frei und für sie wieder in greifbarere Nähe gerückt war, ließ sie nicht schlafen. Dabei ging es ihr nicht mehr darum, sich irgendein sexuelles Verlangen nach seinem Körper zu erfüllen. Das war vollkommen verschwunden.
Vielmehr hatte sie das tiefe Bedürfnis, ihm endlich die Wahrheit über ihre Tochter – ihre gemeinsame Tochter – zu sagen. Sagen zu müssen.
Verzweifelt überlegte sie immer wieder, wie sie es anstellen könnte. Sie fürchtete die möglichen Konsequenzen. Was, wenn er sie mit seinem neuen Wissen erpressen würde? Er war und blieb schließlich ein Krimineller.
Am frühen Morgen stand sie gerädert auf. Basti und Amelie schliefen noch. Sie zog sich Bastis weißes Hemd über und musste daran denken, wie gern Basti sie darin sah. „Das steht dir viel besser als mir“, sagte er immer, wenn sie es mal anhatte. Meistens nachdem sie Sex gehabt hatten.
Mit gemütlichen Wollsocken an den Füßen ging Elisa die Treppe von der Galerie hinab, durchquerte die Eingangshalle und ging in die Küche. Sie setzte sich einen Tee auf und blickte durch die großen Fenster hinaus in den verschlafenen Garten. Die Stille hatte eine besänftigende Wirkung auf sie. Als der Tee fertig war, stellte sie ihn auf der Arbeitsfläche rechts neben sich ab, zog sich einen Stuhl heran, stellte ihn an das Fenster und nahm Platz. Ihre Füße stellte sie mit eng angezogenen Knien vor sich auf den Stuhl und umfasste mit ihren Armen ihre Beine. Ihren Kopf legte sie nachdenklich auf ihren Knien ab. Sie sah Amelie vor ihrem geistigen Auge, wie sie im Garten spielte, herumtobte und vergnügt lachte.
In diesem Moment wusste sie, dass sie es ihm sagen musste. Es war ihre Pflicht. Sie durfte nicht länger schweigen, nicht länger ihr Wissen für sich behalten.
*
Gedankenversunken betrachtete Elisa den Zettel in ihrer Hand. Sie hatte seine Adresse. Über einen Vorwand hatte sie gleich am nächsten Montag von seiner Anwaltskanzlei seine Kontaktdaten erhalten. Einfacher, als sie es sich vorgestellt hatte. Die Dame war sehr auskunftsfreudig gewesen, hatte ihr sogar seine Handynummer gegeben. Nur, weil Elisa sich als Mitarbeiterin einer Kanzlei ausgegeben hatte und ihr gesagt hatte, für das Opfer ein Annäherungs- und Kontaktverbot gegen ihn vor Gericht vorbereiten zu wollen. Elisa war überrascht gewesen, wie leichtfertig die Dame die sensiblen Daten herausgegeben
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