Fesselnde Entscheidung (German Edition)
hatte.
Und nun, fragte sich Elisa. Bereits eine Woche war sie in Besitz seiner Adresse. Sollte sie wirklich Kontakt zu ihm aufnehmen? Wieder überkamen sie Zweifel. Wie würde er reagieren? Was könnte alles passieren?
Seit ihrem Besuch in der Untersuchungshaft vor gut vier Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Nicht, weil sie nicht mehr an ihn gedacht hatte. Nicht, weil sie ihn vergessen hatte. Sondern weil es besser für sie gewesen war – für sie beide. Elisa war hin und her gerissen.
Die Last wog schwer auf ihren Schultern. Zu schwer. Der Drang, endlich ihr schlechtes Gewissen zu erleichtern, überwog die möglichen Gefahren.
Als möglichen Treffpunkt hatte sie ein altes Lokal außerhalb der Stadt im Auge. Da würde sie niemand erkennen. Überhaupt war sie eigentlich nur noch in Fachzeitschriften präsent. Niemand würde sie erkennen. Niemand würde wissen, mit wem sie sich traf.
Falls er kommen würde. Da war sie sich keineswegs sicher. Aber wenn nicht, wäre es auch nicht schlimm gewesen. Dann hätte sie es wenigstens versucht. Das reichte ihrem Gewissen.
Auf einem kleinen Notizzettel schrieb sie Datum, Uhrzeit und Ort. Dann unterschrieb sie mit ´Elisa`, steckte den Zettel in einen Umschlag, beschrifte ihn mit seiner Adresse und brachte ihn nachmittags selbst zur Post.
3. Kapitel
Die Kneipe kannte er zuvor nicht und er fand sie schon von außen wenig einladend. Der einst blaue Putz war an vielen Stellen abgeplatzt, sie wirkte heruntergewirtschaftet und schmutzig. Sein erster Eindruck bestätigte sich im Inneren. Er fragte sich, weshalb sie einen so verwahrlosten, schäbigen Schuppen ausgewählt hatte. War das vielleicht ihr kläglicher Versuch, sich seinem Niveau als Ex-Häftling anzunähern? Dennoch stellte er zu seiner Verwunderung fest, dass sich nicht gerade wenige Menschen hierhin offenbar verirrt hatten. Sie standen und saßen dicht gedrängt um den Tresen herum.
Dem Weg folgend bog er langsam um einen Pfeiler, erblickte einige Tischchen, die auch besetzt waren, und schließlich sie an einem Tisch in der hinteren Ecke des Raums. Reflexartig wich er zurück hinter den Pfeiler. Er hoffte, dass sie ihn nicht gesehen hatte, da ihm sein albernes Verhalten ansonsten peinlich gewesen wäre. Vorsichtig schaute er wieder um die Ecke. Sie konnte ihn von ihrem Platz aus nicht sehen, zu viele Menschen befanden sich zwischen ihnen.
Überrascht stellte er fest, dass sie sich keine Mühe gegeben hatte, nicht erkannt zu werden. Aber wahrscheinlich, so überlegte er, würde sie hier ohnehin niemand erkennen.
Ihre langen schwarzen Haare trug sie offen und er empfand sie als auffallend glatt. Eigentlich hatte er sie nur wild und zerzaust in Erinnerung gehabt. Von weitem konnte er ihr zartes Gesicht und ihre großen Augen erkennen, die unruhig hin und her eilten. Sie war immer noch sehr hübsch anzusehen. Obwohl sie mit ihrem schwarzen T-Shirt, unauffällig gekleidet war, wirkte sie durch ihre bloße Erscheinung an diesem heruntergekommenen Ort vollkommen deplatziert. Sie strahlte etwas Anmutiges aus, was ihr auch interessierte Blicke anderer Männer einbrachte, wie er instinktiv registrierte.
Als temperamentvolle, leidenschaftliche und äußerst zerbrechliche Frau hatte er sie kennen gelernt und wieder mal fragte er sich, wie so ein zierliches Wesen eine so erfolgreiche Geschäftsfrau sein konnte. Erst neulich hatte er einen Artikel über sie gelesen. Nicht ohne Wehmut. Nicht ohne Stolz, sie einmal gehabt zu haben.
Vor ihr auf dem Tisch standen zwei Weingläser. Ein leeres und ein fast leeres. Irritiert schaute er auf seine Uhr. Er hatte sich fünf Minuten verspätet. Seltsam, dachte er.
Dann atmete er tief durch und ging langsam auf sie zu. Als sie ihn sah, lächelte sie ihn zaghaft an. Kurz überlegte er, wie er sie begrüßen sollte. Da sie aber keine Anstalten machte, ihn in irgendeiner Form zu begrüßen, setzte er sich einfach ihr gegenüber auf den Stuhl und legte seine Hände ineinander gefaltet vor sich auf den Tisch. Fast so wie damals, als sie ihn in der Untersuchungshaft besucht hatte. Nur mit dem Unterschied, dass er diesmal keine Handschellen trug.
*
Ihr Herz hatte einen Aussetzer gemacht, als sie ihn auf sich hatte zukommen gesehen. Zu ihrem Bedauern trug er seine Haare immer noch sehr kurz. Seine braunen Wuschelhaare hatte sie gern gemocht. Er war älter geworden, kleine Fältchen entdeckte sie um seine hellbraunen Augen. Sie ließen ihn erwachsener, reifer wirken. Sein
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