Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
schiebe meinen Stuhl geräuschvoll nach hinten und stehe auf. »Ich geh schlafen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, knurrt Cat und leert ihren Pimm‘s in einem Zug. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Kilian ihr nachschenkt, und als ich meine Zimmertür hinter mir schließe, höre ich sie in der Küche leise reden.
Sauer lasse ich mich aufs Bett fallen und starre wütend auf das blöde Buch. Ich habe kein Lesezeichen benutzt, sondern ein unschönes Eselsohr in die Seite gemacht. Ich werde es definitiv nicht zu Ende lesen, das kann ich mir nicht antun. Auf meinem Stapel ungelesener Bücher warten diverse Prachtexemplare der englischen Literatur darauf, dass ich mich ihnen zuwende. Einige davon brauche ich dringend für meine Abschlussarbeit, also gibt es gar keinen Grund, diesen Schund weiterzulesen.
Meine Hand greift wie von selbst zum Nachttisch und zuckt kurz zurück, als sie auf den dort liegenden Vibrator trifft. Nein, ich werde ihn nicht ... schon gar nicht, während ich dieses Buch lese. Das wäre quasi eine Kapitulation. Doch plötzlich habe ich das dicke Buch in den Fingern, und obwohl ich mich wehren will, ziehe ich es zu mir heran und schlage es auf, nachdem ich meine schwarze Lesebrille aufgesetzt habe.
Ich zupfe mir beim Lesen die Lippe fast wund. Ich muss einfach wissen, wie der Scheiß ausgeht. Ich wette, das Ding hat ein total bescheuertes Happy End ...
3
»Der graue Mantel da drüben, die Nummer 57, steht doch dran.« Die dicke Frau mit der Achtzigerjahre-Dauerwelle verdreht genervt die Augen und wirft ihrem Mann einen schmallippigen Blick zu, der so viel sagt wie: »Warum lassen die so dumme Mädchen hier arbeiten? So klein ist das Theater auch wieder nicht.«
Ich ziehe den Wollmantel von einem Haken und reiche ihn mit einem strahlenden Lächeln über den schmalen Tresen. »Entschuldigen Sie, ich hatte nicht gesehen, dass der so groß ist«, sage ich zuckersüß und wende mich hastig dem nächsten Kunden zu, der ungeduldig auf seine Jacke wartet und mir seinen nummerierten Chip in die Hand drückt. Hinter mir schnappt die dicke Frau nach Luft, während ihr Mann beruhigend auf sie einredet. Ist doch wahr!
»Gwen? Magst du noch was mit uns trinken?« Gregs Stimme erkenne ich sofort. Und als er plötzlich hinter mir steht und seine körperliche Anwesenheit spürbar wird, überläuft mich ein Schauer. Wie immer. Er legt die Hände auf meine Hüften, ganz freundschaftlich, und schiebt mich ein Stück zur Seite, um mir zu helfen. Während ich fahrig nach der Nummer 48 suche, nimmt Greg alle verbleibenden Kleidungsstücke von den Haken und wirft sie auf die Theke.
»Suchen Sie sich was aus«, ruft er fröhlich, und natürlich ist dem blonden Sunnyboy niemand böse. Alle lachen und stürzen sich auf den Kleiderhaufen. Wenn ich das gemacht hätte, wäre ich jetzt gelyncht worden. Grinsend reiche ich dem Mann seine Jacke und folge Greg ins Theater.
Ich liebe den Geruch. Das Theater ist winzig mit seinen fünfzig Sitzplätzen (siebzig, wenn wir alle Klappstühle aufstellen, das war allerdings schon lange nicht mehr nötig), die Bühne kann man mit fünf großen Schritten ablaufen. Trotzdem herrscht eine ganz besondere Atmosphäre in dem alten viktorianischen Gebäude, was vermutlich daran liegt, dass der Angstschweißgeruch der zahlreichen Premieren irgendwie überall hängt. Hinter der Bühne ertönen Gelächter und Gläserklirren. Ich überquere den knarrenden Holzfußboden, von dem die schwarze Farbe an einigen Stellen abblättert und das darunterliegende Eichenholz zum Vorschein bringt, und stecke den Kopf durch den Schlitz im hinteren Vorhang.
In der kleinen Garderobe sitzen, trinken und rauchen die fabelhaften Vier, die soeben mit Standing Ovations verabschiedet wurden.
»Hey! Komm zu uns!« Gabrielle, von allen liebevoll Mum genannt, klopft mit der Hand auf einen wackligen Holzstuhl neben sich und greift nach einer Weißweinflasche.
»Oder magst du lieber einen Whisky?«
»Danke, Weißwein ist super.« Ich setze mich geräuschvoll und nehme das gefüllte Glas entgegen, das eher ein Becher ist. An den Extravaganzen wird hier gespart, was niemanden stört. Ich habe sowieso nicht vor, mich mit dem billigen Wein zu betrinken, stattdessen sehe ich Greg in die braunen Augen und frage, wie die Vorstellung gelaufen ist. Als ob ich das nicht wüsste! In seiner Gegenwart verliere ich jegliche Eloquenz und mutiere zu einem schüchternen, unsicheren Hühnchen. Schrecklich!
»Du hast den Applaus gehört,
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