Fesselnde Liebe - Teil 1 (German Edition)
Süße«, erwidert er kurz, immerhin freundlich lächelnd. Neben ihm sitzt eine junge Blondine, die ich nicht kenne und die nicht zum Theater gehört. Der obligatorische Fan, nehme ich an. Irgendeine zum Abschleppen gibt es immer, und wahrscheinlich finde ich ihn überhaupt nur deshalb so toll, weil er für mich so weit entfernt ist wie der Nordpol für einen Pinguin.
Jetzt legt er die Hand auf das Knie der kichernden Blondine, die sogar für seinen Geschmack eine Spur zu blöd sein dürfte. Ich räuspere mich und denke fieberhaft darüber nach, wie ich meine intellektuellen Vorzüge so in den Vordergrund stellen könnte, dass sie die eindeutigen körperlichen Vorteile der anderen übertrumpfen. Mir fällt natürlich nichts ein, ich bin mir aber sicher, dass mir später im Bett ganz großartige Sachen in den Sinn kommen, die ich hätte sagen können. Wie immer. Wenn ich sie brauche, verlässt mich meine Schlagfertigkeit und zieht sich in ein imaginäres Schneckenhaus zurück. Als hätte sie Angst davor, dass ich was Falsches sagen könnte.
Gaby erzählt der zierlichen Jeanny, die im Gegensatz zu mir an den Abenden, an denen sie nicht die Garderobe, Kasse und Theke macht, auch mal auf der Bühne mitspielt, vom nächsten geplanten Stück. Sie hat es selbst geschrie ben und es ist – oh Wunder – frivol. Trotz ihres Alters – Gaby ist annähernd so alt wie meine Mutter – strahlt sie aus jeder Pore Sex aus, was ihr ständige Verehrer einbringt.
»Gwen, da wäre sogar eine kleine Rolle für dich dabei ... allerdings müsstest du Greg küssen.«
Alle lachen, und ich stimme fröhlich mit ein. Es ist kein boshaftes Über-mich-Lachen, sondern ein Mit-mir-Lachen. Jeder hier weiß, dass ich ein Faible für Greg habe, auch er selbst.
Er hat Theaterwissenschaften studiert und ist sieben Jahre älter als ich. Seine Ausstrahlung ist enorm, sodass bei seinem Eintritt in einen Raum alle ehrfürchtig verstummen. Ehrlich, ich wundere mich, warum manche nicht sogar vor ihm auf die Knie fallen, ganz von selbst. Wie in der Kirche oder so.
Ich bin nicht in ihn verliebt, dazu bin ich viel zu realistisch. Es ist eher eine Schwärmerei, die jetzt schon zwei Jahre dauert, und ich glaube es ist mir lieber so. Es wäre entsetzlich, wenn die Realität mit ihm nicht annähernd so schön wäre wie meine gelegentlichen Träume, und meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Wirklichkeit einen immer enttäuscht, wenn man sich vorher zu viele schöne Gedanken über etwas gemacht hat. Das Leben ist schöner in der Fantasie, nicht nur, wenn es um Sex geht.
Trotzdem schieße ich mit den Augen Giftpfeile zu der Blondine rüber, die an seinen Lippen hängt wie eine Drogensüchtige am Joint.
»Ich würde schon beim Auftritt hinfallen«, sage ich, und Gaby winkt ab.
»Würdest du nicht. Du bist noch nie auf der Bühne hingefallen.«
»Ich war noch nie auf der Bühne, wenn Publikum anwesend war«, beharre ich. »Außerdem lisple ich und das hört sich schrecklich an.«
»Seit wann lispelst du denn?« Jeanny lacht ein glockenhelles Lachen. Sie ist Exhibitionistin, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe sie sogar mal dabei erwischt, wie sie – angeblich versehentlich – in Unterwäsche über die Bühne gelaufen ist. Vor dem Vorhang entlang! Und die Hälfte des Publikums war schon aus der Pause zurückgekehrt. Sie hat nachher entsetzt gekreischt und so getan, als wäre ihr das furchtbar peinlich, aber ich habe das zufriedene Grinsen in ihrem Gesicht genau gesehen.
»Seitdem ich meine Zahnlücke habe«, erwidere ich und kneife meine Lippen zusammen, weil mir gerade alle, wirklich alle , auf den Mund starren, als hätte ich da neuerdings ein Piercing. Dabei habe ich diese blöde Zahnlücke schon ewig. Nur weil ich mit dreizehn zu faul war, die Zahnspange regelmäßig einzusetzen und lieber ohne das unbequeme Ding geschlafen habe, bis es meiner Mutter zu blöd (und zu teuer) wurde und ich ohne auskommen musste. Ich mag meine Zahnlücke, weil ich durch sie pfeifen kann, wenn ich will. Außerdem passt sie zu mir. Eine kleine, zierliche Frau mit blonden – nein, Entschuldigung – erdbeerblonden Haaren und einer Haut, die im Sommer so gesprenkelt ist wie das Testbild im Fernseher, sollte unbedingt eine Zahnlücke haben. Und eine Brille, natürlich, die ich aber nur zum Lesen aufsetze, wenn ich allein bin.
Greg und die Blondine tuscheln und sie kichert. Wahrscheinlich hat er ihr was Schmutziges ins Ohr geflüstert und sie reagiert darauf wie ein
Weitere Kostenlose Bücher