Fessle mich!
aber sie hat bei Ihnen oder Ihrem Partner alte seelische Verletzungen aufgerissen. Je schneller Sie herausfinden, wo das Problem liegt, desto eher können Sie es lösen.
Wie auch immer: Wenn eine solche Rückschau stattfindet, ist es hier wie in anderen Bereichen vor allem der dominante Partner, der seiner Verantwortung für seinen devoten Lover gerecht werden muss: Konnte der von ihm Unterworfene sämtliche Handlungen genießen oder wurden seine Grenzen an bestimmten Punkten überschritten oder wunde Punkte berührt? Wenn man das Gespräch darüber vermeidet, was als belastend wahrgenommen wurde, besteht die Gefahr, dass sich diese kritischen Aspekte wiederholen. Manchmal kann der Devote solche Dinge während der Szene nicht zur Genüge deutlich machen, vielleicht auch in der akuten Situation noch nicht einmal angemessen benennen. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, nach einer solchen Aktion noch einmal Rückschau zu halten und zu fragen: »Wie war es für dich?« Dabei geht es oft nicht nur darum, den schlimmstmöglichen Fall, also seelische Krisen und Katastrophen, zu vermeiden. Stattdessen kann man auch sehr gut darüber sprechen, welche Dinge man noch verfeinern, steigern, lustvoller gestalten könnte und was sich als eher störend herausgestellt hat, als nicht so wirkungsvoll. Und selbst wenn ein Aspekt des Spiels als unangenehm empfunden wurde: Lag es vielleicht nur am konkreten Moment, an der Tagesform eines der beiden Partner, oder handelt es sich um etwas, womit man auch auf längere Sicht nicht klarkommen dürfte?
In diesem Gespräch erkennt der Devote auch, dass er immer noch als Mensch und gleichberechtigter Partner mit all seinen Ängsten, Problemen und Gefühlen an- und ernst genommen wird, selbst wenn er noch kurz zuvor wie ein Sklave, Tier oder Möbelstück behandelt worden ist. Manche dieser Geschehnisse können so tief gehend und aufwühlend sein, dass es wertvoll und vielleicht sogar notwendig ist, über die gemachten Erfahrungen miteinander zu sprechen und sich auszutauschen, wie die beiden Beteiligten das Verhalten des anderen empfanden. Auf diese Weise verstärkt sich auch die Bindung zueinander.
Christian Grey verhält sich auch in dieser Hinsicht nicht so, wie es für eine gesunde Partnerschaft angemessen wäre. Für Anastasia sind Aktionen dieser Art neu, und sie verdeutlicht immer wieder, welche Schwierigkeiten sie hat, mental und seelisch damit zurechtzukommen. Doch sie wird von Christian regelmäßig nach einem solchen Spiel allein zurückgelassen und muss für sich alleine klären, wie sie damit klarkommt. Eine Nachsorge oder auch nur ein Austausch darüber, wie sie bestimmte Dinge empfunden hat und was diese Erfahrungen in ihr ausgelöst haben, findet kaum statt. Als Anastasia nach einer Session einmal vor Erschöpfung fast zusammenbricht und sie ein Gähnen nicht mehr unterdrücken kann, blafft Christian sie lediglich mit der Frage an, ob er sie denn langweilen würde …
Noch einmal zur Klarstellung: Es ist nicht die Aufgabe eines erotischen oder romantischen Romans, in seinen Figuren nur Rollenvorbilder zu präsentieren, die sich perfekt verhalten. Wenn sie das täten, ergäben sich keine Konflikte und damit auch keine spannende Handlung. In einem Sachbuch und Ratgeber, in dem dieses Thema behandelt wird, sollte man allerdings schon darauf hinweisen, dass jemand wie Christian Grey im wahren Leben zu unsicher, egozentrisch und narzisstisch wäre, als dass er die Aussichten auf eine glückliche Beziehung böte. Gerade der Megaerfolg von E. L. James’ Romantrilogie kann bei manchem Leser zu dem Fehlschluss führen, dass Männer genau so wie Christian Grey sein müssten, um Frauen glücklich zu machen.
Natürlich ist jeder Mensch und jede Partnerschaft anders. Dennoch gibt es auch für das Auffangen bestimmte Regeln oder Hinweise, welche die Erfolgsaussichten auf ein geglücktes Gespräch für beide Partner erhöhen:
Oft wird es sinnvoll sein, die gemeinsame Aussprache nicht direkt nach der Sitzung stattfinden zu lassen, wenn die Wunden noch zu frisch sind oder einer der Partner noch zu sehr in seiner Rolle gefangen ist und sich deshalb verkneift, Dinge zu sagen, die gesagt werden sollten. Ihm wird erst allmählich klar, was in bestimmten Momenten mit ihm vorgegangen ist. Dann fühlt er sich womöglich schuldig, es nicht sofort angesprochen zu haben, kommt deshalb nicht wieder darauf zurück, sondern frisst es in sich hinein. Lässt man vor dem Gespräch noch einen Tag
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