Fessle mich!
gegenseitiges Vertrauen) längst entfallen sind. Solch eine Verpflichtung kann eine starke unsichtbare Kette darstellen.
Auch wenn ein Sklavenvertrag juristisch als null und nichtig gilt, frage ich mich, ob er bei bestimmten Konflikten nicht doch zumindest eine gewisse Absicherung für den Dominanten darstellen kann. Angenommen beispielsweise, sein Partner hat seine SM-Neigung neu entdeckt, ist im Nachhinein entsetzt darüber, was er alles mit sich hat anstellen lassen, gibt seinem erfahreneren Partner die Schuld und erstattet Strafanzeige wegen Körperverletzung. Ich bin zwar juristischer Laie, kann mir aber gut vorstellen, dass ein Sklavenvertrag hier von dem dominanten Partner verwendet werden kann, um seine Behauptung zu untermauern, der Klagende habe sich mit Bedacht und freiwillig auf die Aktionen eingelassen, die er inzwischen bedauert. Der juristische Grundsatz Volenti non fit inuria (»Dem Wollenden/Freiwilligen geschieht kein Unrecht«) käme so selbst dann zur Geltung, wenn die geleistete Einverständniserklärung formaljuristisch ungültig wäre. Da es bisher noch keinen Fall gab, bei denen entsprechend vorgegangen wurde, ist diese Argumentation allerdings noch spekulativ.
In den Interviews, die ich für mein Buch Lustvolle Unterwerfung (Marterpfahl, 2004) mit SM-Anhängern geführt habe, zeigte sich auch die Beliebtheit von Vereinbarungen zur erotischen Dominanz. »Sklavenverträge sind einfach geil«, berichtete mir beispielsweise Sara begeistert. »Sie sind was fürs Kopfkino und bestimmen darüber hinaus das gemeinsame Ausleben der Neigungen. Ihre Bedeutung haben sie nur im Spiel – und neben Ritualen, die man darin festlegen kann, haben sie ja eine Art moralischen Kodex als Hintergrund. Nehmen wir zum Beispiel die Festlegung im Sklavenvertrag: › Der Mann ist ein minderwertiges Wesen und erkennt die natürliche Vormachtstellung seiner Frau an. ‹ Das ist natürlich völliger Nonsens, aber im Spiel ja gewissermaßen die Grundlage für das Ausleben der sich ergänzenden Neigungen.« Nicht zuletzt sei die gemeinsame Ausarbeitung solcher Erklärungen »eine wunderbare Methode, um über eigene Wünsche und Vorstellungen das Spiel betreffend zu reden – die Haltung zueinander festzulegen und immer wieder neu zu überprüfen.«
»Bei dahergesagten Worten ist es leichter, sie zu überhören, zu ignorieren oder falsch zu verstehen«, erklärten mir Nina und Eric. »Nun sind die Regeln schwarz auf weiß vorhanden (jederzeit griffbereit zum Nachlesen) und lassen sich nicht wegdiskutieren (was Nina furchtbar gerne macht). Allerdings heißt es nicht, dass wir stur nach den Regeln leben. Das würde uns beiden den Spaß daran nehmen. Sondern eher, dass er eine Herausforderung ist, die man mit Stolz bewältigen kann.«
Der Sklavenvertrag, den Nina und Eric in der Realität für sich ausgearbeitet haben, unterscheidet sich inhaltlich gar nicht so sehr von dem, den E. L. James von einem befreundeten Juristen für ihre erotische Fantasie formulieren ließ. Nina und Eric haben mir ihre ganz reale Fassung ihres Sklavenvertrages freundlicherweise zur Veröffentlichung überlassen:
Zu den Pflichten der Sklavin gehören: die Wohnung, Spielutensilien und Ruhelager in einem sauberen Zustand zu halten, sich zu pflegen und gewissenhaft mit ihrem Körper umzugehen, den sie jederzeit ihrem Herrn zur Verfügung zu stellen und täglich von Körperhaaren (ohne Kopfhaar) zu befreien hat. Dies kann der Herr jederzeit prüfen. Die Sklavin darf sich nur mit Erlaubnis des Herrn schminken und die Nägel lackieren. Fragen muss sie direkt und ehrlich sowie höflich und respektvoll beantworten und jederzeit Auskunft über ihren seelischen und körperlichen Zustand geben. Entscheidungen des Herrn werden dankbar akzeptiert. Das körperliche Eigentum übergibt sie ihrem Herrn, der nach seinem Willen darüber verfügen kann. Sie akzeptiert, dass der Herr dieses anderen zur Verfügung stellen kann. Sie muss ihre Wünsche, Kritik und Bedürfnisse auf ein absolutes Mindestmaß reduzieren. Sie spricht ihren Herrn immer mit »Herr« sowie ehrfürchtig und respektvoll an. Sie wird kritiklos die Art und Höhe einer Strafe akzeptieren und ist sich bewusst, dass jeder Regelbruch eine Bestrafung zur Folge hat. Sie hat die Pflicht, ihrem Herrn zu gehorchen, zu dienen und in Erwartung des Herrn vorausschauend zu handeln sowie die Fesselungen, körperlichen Züchtigungen, quälenden Behandlungen sowie sexuellen Praktiken ihres Herrn (mit Ausnahme
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