Fessle mich!
hat, musste er aktiv verschiedene Tabus brechen und beängstigende Dinge mit Ihnen anstellen. Das Unterbewusstsein versteht es oft nicht, wenn solche Handlungen einvernehmlich geschehen. Ihr Partner ist also möglicherweise ebenfalls an seelische Grenzen geführt worden, aber weil er überlegen und kontrolliert wirken musste und sich um Sie zu kümmern hatte, konnte er sich das nicht so anmerken lassen. Eben deshalb sollten Sie sich nun um ihn kümmern, nachfragen, wie es ihm geht, und Kritik auf so sanfte Weise ausdrücken, dass sie auch von ihm aufgenommen werden kann.
Egal in welcher Rolle Sie sind: Zeigen Sie Ihrem Partner, insbesondere wenn Sie sonst wenig miteinander zu tun haben, dass Sie ihn auch als Menschen ernst nehmen, als Freund oder Lover mögen und nicht nur als die Person sehen, die Ihre sexuellen Fantasien erfüllt.
Wenn ein solches Gespräch, aus welchem Grund auch immer, nicht funktioniert, ein Bedarf nach Rückmeldung aber trotzdem besteht, kann man sich andere Vorgehensweisen überlegen. Vielleicht möchten Sie Ihrem Lover auch hier wichtige Dinge, die für Sie schwer auszusprechen sind, in aller Ruhe in einem Brief niederschreiben? Oder möchten Sie Ihrem Partner etwas schenken (beispielsweise ein besseres Gleitmittel), mit dem sich ein Problem, das Sie bemerkt haben, in Zukunft verhindern lässt?
Kapitel 10
Bindende Vereinbarungen – Was es über Sklavenverträge zu wissen gilt
Ich habe bereits erklärt, inwiefern es in unserer Gesellschaft kaum mehr allgemeingültige Normen gibt, anhand derer verschiedene Formen von Sexualität als »gesund« auf der einen sowie »abartig« oder »pervers« auf der anderen Seite bewertet werden können. Solange keine juristischen Gesetze verletzt werden, kommt es in erster Linie darauf an, ob zwei erwachsene Menschen sich freiwillig und einvernehmlich auf bestimmte Dinge einlassen möchten oder nicht. Der Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt spricht in seinem wegweisenden Werk Das Verschwinden der Sexualmoral (Klein, 1996) von einer sogenannten Interaktionsmoral. In einem Sklavenvertrag, wie E. L. James ihn ausführlich darstellt, kommt dieses neue moralische Denken am deutlichsten zum Ausdruck. Wie sehr es bereits im Mainstream unserer Gesellschaft angekommen ist, wird durch den Megaerfolg der Fifty-Shades-of-Grey- Romane deutlich, in deren Zentrum so ein Vertrag steht.
In der immensen Medienberichterstattung über diese Romanreihe findet sich auch ein bemerkenswerter Artikel der bekannten israelischen Soziologin Eva Illouz, der auf Spiegel-Online veröffentlicht wurde. Illouz hatte schon früher die These vertreten, dass wir heutzutage »nach den Regeln des Marktes« lieben, sexuelles Begehren sich also beispielsweise nach dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage richtet. In ihrem Beitrag empfiehlt sie »den Sadomaso-Vertrag als höchst plausible Alternative zur komplizierten und stets ergebnisoffenen Beziehungsarbeit«. Dafür nennt sie vier Gründe: Eine SM-Beziehung vereine Schmerz und Genuss und löse damit die Widersprüche herkömmlicher Beziehungen auf, die beständig zwischen Schmerz und Genuss schwanken. Mit einem SM-Vertrag könne man die eigene Autonomie freiwillig aufgeben, was eine der größten Herausforderungen für moderne Partnerschaften darstelle. Ein solcher Vertrag beende den Zwang zum dauerhaften Aushandeln, der durch die Gleichberechtigung der Geschlechter entstanden sei, und mache stattdessen Ungleichheit akzeptabel, solange sie einvernehmlich und auf Genuss abzielend ausgehandelt worden sei. Und schließlich sei das seltenste aller Güter, Vertrauen zueinander, die Grundlage für eine SM-Beziehung.
E. L. James weist in ihren Romanen darauf hin, dass ein solcher Sklavenvertrag juristisch natürlich keinerlei bindende Wirkung habe: Er sei sittenwidrig und die Sklaverei in unserer Gesellschaft abgeschafft.
Es handelt sich bei einem solchen Schriftstück also vor allem um ein formelles Treuebekenntnis und einen Teil einer Inszenierung, dem allenfalls eine psychologische Wirkung zugesprochen werden kann. Zudem kann ein in allen Details ernst gemeinter Sklavenvertrag beiden Partnern die Möglichkeit geben, ihre Wünsche und Erwartungen deutlich zu äußern und festzuhalten, um so späteren Konflikten wenigstens teilweise vorzubeugen. Bedenklich können Sklavenverträge werden, wenn sich der passive Partner einer Beziehung aufgrund seines inneren Ehrgefühls daran gebunden fühlt, obwohl die Vertragsgrundlagen (zum Beispiel
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