Fessle mich!
verwirklichen, und sollte es nicht sein Ziel sein, immer verantwortungsbewusster reife und vernünftige Entscheidungen zu treffen? Stellt es nicht einen Rückschritt ins Kleinkindalter dar, wenn man sich einem anderen Menschen komplett überantwortet? Das sind sinnvolle Fragen, und mancher mag sie für sich mit Ja beantworten. Manch anderer mag aber sagen, dass unsere Welt bunt und vielschichtig genug ist, um Raum für die unterschiedlichsten Lebenskonzepte zu haben. Viele Menschen ordnen sich zum Beispiel einer politischen Weltanschauung, dem Militär oder einem bestimmten religiösen Glauben unter, ohne sich selbst dabei notwendigerweise zu verlieren, sondern indem sie gerade darin ihre Berufung finden und sich verwirklichen. Menschen in 24/7-Beziehungen finden ihre Erfüllung in der dauerhaften Hingabe an den geliebten, begehrten Partner.
Die nächste Frage, die sich bei solchen Beziehungen stellt, ist, ob sie überhaupt in der Realität umsetzbar sind. Könnte das nicht wieder einen dieser Fälle darstellen, bei denen die Fantasie erregender ist als ihre Verwirklichung? Für manche Devote stellt es sich als schwieriger heraus, als sie vorher dachten, einem anderen Menschen die volle Kontrolle darüber zu geben, wann sie arbeiten, essen, schlafen, Freizeit haben und für Liebesdienste zur Verfügung stehen müssen. Umgekehrt kann es sich für manch einen Dominanten als unerwartet belastend und aufreibend herausstellen, all diese Entscheidungen für einen anderen Menschen treffen zu müssen – und dabei zugleich so verantwortungsbewusst wie möglich zu sein. Die Dominanten sind in einer Lage, in der sie Entscheidungen für ihren Geliebten treffen müssen, dieser aber unter den Folgen zu leiden hat, wenn sich diese Entscheidungen als unklug erweisen. Viele Menschen schaffen es ja kaum, ihr eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen. Und schließlich kann niemand wirklich sinnvoll sieben Tage die Woche ohne Unterbrechung die Rolle eines Herrn einnehmen: Auch Dominante müssen arbeiten gehen und sich um ihre Eltern oder Kinder kümmern; sie brauchen ihre persönlichen Freiräume, um zu faulenzen und sich ihren Hobbys zu widmen.
Hier handelt es sich also einfach um eine Frage der Erwartungen, die man an eine solche Beziehung hat. Wenn man glaubt, 24/7 bedeute, dass man rund um die Uhr von einer stolzen Herrin herumgescheucht würde, die ihre Latexklamotten niemals ablegt, dann wird man sich auf eine Enttäuschung vorbereiten müssen. Wenn man sich aber im Klaren darüber ist, dass sich der Alltag einer 24/7-Beziehung in vielem gar nicht von dem Alltag einer üblichen Paarbeziehung unterscheidet, dann hat man schon ein klareres Bild von der Wirklichkeit.
Das Machtgefälle in 24/7-Beziehungen spielt sich oft auf einer sehr subtilen Ebene ab, die nach außen hin nicht besonders sichtbar wird. Das ist ja auch notwendig: Jeder hat Freunde, Bekannte, Verwandte und Arbeitskollegen, die für solchen neumodischen Kram oft wenig Verständnis aufbringen und davon verschont werden möchten. Selbst wenn Sie eine 24/7-Beziehung als erotisch reizvoll empfinden, können Sie doch vermutlich darauf verzichten, beim Besuch der Schwiegermutter neben dem Stuhl Ihres Partners zu kauern, oder darauf, dass Ihre Partnerin Sie beim Weihnachtsfest der Firma ihrem Chef mit den Worten »Das ist Heiko, mein Sexsklave« vorstellt. Schwiegermütter, Freunde und Kollegen haben mitunter die etwas nervige Angewohnheit, in solchen Situationen weitergehende Fragen zu stellen oder Diskussionen zu beginnen, sodass man sich ständig neu erklären muss. Vermutlich liegt es daran, dass 24/7-Beziehungen am besten entweder innerhalb der SM-Szene gedeihen, wo ein entsprechend tolerantes und aufgeklärtes Umfeld besteht, oder aber sehr zurückhaltend gestaltet sind: Privates und öffentliches Verhalten bleiben dann eben doch voneinander getrennt.
Viele Menschen verwirklichen ihre 24/7-Fantasien auch nur innerhalb bestimmter Auszeiten jenseits ihres gewohnten Alltags, also etwa an einem verlängerten Wochenende oder im Urlaub. Dies kann auch eine gute Gelegenheit darstellen zu experimentieren, ob einem eine solche Lebensführung überhaupt liegt.
Gloria Brame nennt in ihrem SM-Ratgeber Come Hither zwei Möglichkeiten herauszufinden, ob man der Typ für so eine Beziehung ist. Die eine habe ich schon angesprochen: einfaches Ausprobieren. Wenn Sie eine Vollzeit-Versklavung brauchen, dann werden Ihnen die normalen, zeitlich begrenzten Rollenspiele bald
Weitere Kostenlose Bücher