Fest der Herzen: Geständnis unterm Weihnachtsbaum / Schicksalstage - Liebesnächte
eine große Überraschung?“, konterte sie. Erst nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, dass außer Ginger niemand den Kauf dieses Weihnachtsbäumchens kommentiert hatte.
Melissa seufzte und schüttelte den Kopf, dann ging sie ins Gästezimmer, dicht gefolgt von Ginger. Als sie kurz darauf in die Küche zurückkam, hatte sie ihren Mantel ausgezogen und schob die Ärmel ihres weißen Sweaters hoch. „Dann wollen wir das arme Ding mal dekorieren.“
„Gute Idee“, stimmte Olivia ihr zu.
Durch den Topf und die von Wurzeln durchzogene Erde war der Baum schwerer, als sein Erscheinungsbild vermuten ließ. Gemeinsam schafften sie ihn ins Wohnzimmer, wo Olivia eineStehlampe zur Seite stellte und einen Tisch vor das Fenster zog, damit Charlie in Augenhöhe stand.
„Das sieht irgendwie … fröhlich aus“, erklärte Melissa, was sie aber vermutlich nur aus Höflichkeit machte. Ob ihr Mitleid dabei Olivia oder dem Baum galt, ließ sich nicht sagen.
Olivia holte die Lichterketten und den Schmuck aus den Einkaufstaschen vom Baumarkt. „Vielleicht sollte ich Popcorn oder so was machen.“
„Das“, zog Melissa sie daraufhin auf, „wäre ein Akt, der unter Kochen fällt. Du hast uns aber versprochen, das zu Hause nicht zu versuchen.“
„Ach, ich bin froh, dass du hier bist, Mel“, erklärte Olivia lachend.
„Ich auch. Wir sollten uns öfter treffen, aber wir beide arbeiten ständig.“
„Du arbeitest mehr als ich“, konterte Olivia gut gelaunt. „Was du brauchst, ist ein Privatleben, Melissa O’Ballivan.“
„Das habe ich bereits, vielen Dank der Nachfrage“, gab ihre Schwester zurück, ging zum CD-Player und legte Weihnachtsmusik auf. „Und abgesehen davon: Du, große Schwester, bist ganz bestimmt die Letzte, von der ich mir sagen lasse, dass ich es mit der Arbeit übertreibe und ein Privatleben brauche.“
„Triffst du dich mit irgendjemandem?“, fragte Olivia, während sie eine Packung mit guten alten Bubble Lights öffnete. Als sie und ihre Geschwister noch klein waren, hatte Big John den Baum jedes Jahr mit solchen Lichterketten geschmückt, bis die auf einmal für feuergefährlich erklärt wurden und er sie in den Müll warf.
„Das letzte Mal hat kein gutes Ende genommen“, gestand Melissa. Sie machte die Packungen mit dem Christbaumschmuck auf und war damit beschäftigt, Schlaufen durch die kleinen Ösen zu ziehen. So konzentriert war sie, dass sie Olivia beim Reden nicht in die Augen sah.
„Wie meinst du das?“
„Er war verheiratet“, sagte sie. „Ich wusste nichts davon, bismir seine Frau letzten Sommer ein Foto schickte, das ihn und seine Familie bei einem Ausflug zum Grand Canyon zeigte. Vier Kinder und ein Hund.“
„Autsch!“ Olivia hätte Melissa am liebsten in die Arme genommen oder ihr zumindest eine Hand auf die Schulter gelegt, doch sie hielt sich zurück. Ihre Schwester wirkte untypisch zerbrechlich, und sie fürchtete, eine solche Geste könnte sie erst recht zusammenbrechen lassen. „Er hat dir wirklich was bedeutet, nicht wahr?“
„Ja, das hat er“, bestätigte ihre Schwester. „Aber das ist bei mir ja nichts Neues. Wenn es im Umkreis von hundert Meilen irgendeinen Mistkerl gibt, dann finde ich ihn, fange ihn ein und schenke ihm mein Herz.“
„Findest du nicht, du gehst mit dir ein bisschen zu hart ins Gericht?“
Melissa zuckte beiläufig mit den Schultern. „Der Vorletzte wollte durch mich nur an Brad herankommen, um ihm ein Demoband zu geben und Karriere zu machen.“ Sie hielt inne. „Aber wenigstens hatte der keine Kinder.“
„Mel, so was kommt vor. Du darfst dir das nicht so sehr zu Herzen nehmen.“
„Du hast seine Kinder nicht gesehen. Sommersprossen, Zahnspangen, strahlende Gesichter. Fröhliche Kinder, die keine Ahnung haben, dass ihr Vater ein Mistkerl erster Klasse ist.“
Abermals wusste Olivia nicht, was sie dazu sagen sollte, also konzentrierte sie sich ganz darauf, die Lichter an Charlie Browns Zweigen zu befestigen.
Aus dem CD-Player erklang Bing Crosbys Version von Little Drummer Boy .
„Eigentlich kann ich dir auch erzählen, dass du das Gesprächsthema Nummer eins in der Familie bist“, fuhr Melissa fort und ließ eine gut gelaunte Entschlossenheit erkennen, „weil du dich an Thanksgiving mit Tanner Quinn weggeschlichen hast.“
Olivia versteifte sich. „Ich habe mich nicht mit ihm weggeschlichen!“
Wie du meinst, merkte ihr Gewissen ironisch an.
„Hab dich doch nicht so. Er sieht gut aus.
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