Fest der Herzen: Geständnis unterm Weihnachtsbaum / Schicksalstage - Liebesnächte
der Bürgermeister und ein Dutzend der wohlhabenderen Familien der Stadt auftauchten. Auf sie wartete zu Hause ein eigenes Festmahl, und unter ihren Weihnachtsbäumen stapelten sich die Geschenke.Aber sie waren hergekommen, um zu zeigen, dass dies keine Veranstaltung für die Bedürftigen war, sondern für jeden Bürger der Stadt.
Als auch noch der letzte Nachzügler eine Portion erhalten hatte, als Teller in Folie gewickelt worden waren, um sie an Bettlägerige zu liefern, und als die Catering-Mitarbeiter die mehr als üppigen Reste in ihren Van geladen hatten, um sie zum örtlichen Pflegeheim zu bringen, da blieben die Einwohner von Stone Creek noch lange Zeit sitzen, unterhielten sich, lachten und tauschten Anekdoten aus.
Das ist Weihnachten, dachte Olivia, als sie diese Menschen beobachtete und die wiedererwachte Hoffnung in ihren Augen entdeckte.
Und dann griff Brad unweigerlich zur Gitarre, die ihm von irgendwem gereicht worden war. Er setzte sich auf eine Tischkante, stimmte das Instrument und räusperte sich.
Gebanntes Schweigen machte sich im Saal breit.
„Ich mache das hier nicht allein“, sagte Brad grinsend, während sein Blick über die Menge schweifte. All diese Leute waren seine Freunde und in gewisser Weise auch seine Familie. Für Olivia war es ein Zeichen von Selbstbewusstsein und Stolz, dass er sich in diesem Pullover der Öffentlichkeit präsentierte. Er wusste, wie viel Arbeit Ashley in ihr Geschenk investiert hatte, und weil er seine kleine Schwester liebte, störte ihn das amüsierte Getuschel nicht, das aus der Menge bis zu ihm vordrang. Hier und da war leises Lachen zu hören, was nach Olivias Meinung zum Teil mit seiner Äußerung, zum Teil mit dem Pullover zu tun haben musste.
Er spielte ein paar Noten, dann begann er zu singen.
„Sti-hille Nacht, heilige Nacht …“
Nach und nach stimmten alle mit ein, Alte und Junge, zittrige Stimmen und beeindruckende Tenöre, bis ganz Stone Creek das Weihnachtslied sang.
Olivia sah Tanner in die Augen, und etwas sprang zwischen ihnen über, etwas unendlich Kostbares.
„Tauge ich was?“, fragte er, als das Lied zu Ende war.
„Als was?“
„Als richtiger Cowboy“, sagte er mit breitem Grinsen auf den Lippen.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. „Ja“, sagte sie ihm glücklich. „Du bist ein richtiger Cowboy, Tanner Quinn.“
„Weil mein Truck mit Morast überzogen ist?“
„Nein“, antwortete sie lachend und legte eine Hand gespreizt auf seine Brust. „Weil du so ein großes, gutes Herz hast.“
Er sah nach oben und verzog missmutig das Gesicht. „Kein Mistelzweig“, murmelte er.
Daraufhin schob Olivia ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn mitten in der Cafeteria der Stone Creek High School voller Leidenschaft, während die halbe Stadt ihr dabei zuschaute. „Wer braucht schon Mistelzweige?“
– ENDE –
Linda Lael Miller
Schicksalstage – Liebesnächte
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Tatjána Lénárt-Seidnitzer
1. KAPITEL
A shley O’Ballivan ließ die letzte Lichterkette in den Karton mit dem Weihnachtsschmuck fallen. Sie musste sich zurückhalten, um ihn nicht mit einem kräftigen Tritt in die Ecke der Dachkammer zu befördern, anstatt ihn ordentlich auf die anderen Kisten und Kartons zu stapeln.
Für sie waren die Feiertage alles andere als fröhlich verlaufen – im Gegensatz zu ihrem Bruder Brad und ihrer Schwester Olivia, die beide glücklich verheiratet waren. Sogar ihre arbeitssüchtige Zwillingsschwester Melissa hatte den Silvesterabend mit einem Date verbracht.
Ashley dagegen hatte ganz allein vor ihrem tragbaren Fernseher gesessen und um Mitternacht den Countdown am Times Square verfolgt.
Wie lahm ist das denn?
Es war nicht nur lahm, sondern geradezu jämmerlich. Sie war noch nicht einmal dreißig und schon auf dem besten Weg, alt zu werden.
Mit einem Seufzen wandte sie sich von ihrem weihnachtlichen Sammelsurium ab – sie ging in ihrem Mountain View Bed and Breakfast bei jedem Feiertag aufs Ganze, was die Dekoration anging.
Als sie die Dachbodenleiter hinunterstieg, ertönte vor der Garage eine vertraute Hupe, die zweifellos zu Olivias uraltem Geländewagen gehörte.
Mit gemischten Gefühlen verstaute Ashley die steile Leiter in der Dachluke. Sie liebte ihre ältere Schwester, doch seit dem Begräbnis ihrer Mutter vor einigen Monaten war ihre Beziehung angespannt.
Weder Brad noch Olivia oder Melissa hatten auch nur eine einzige Träne um Delia O’Ballivan
Weitere Kostenlose Bücher