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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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Grundstück für ein geplantes Baummuseum eingeebnet sehen will.«
    »Wenn man in das Grundstück, auf dem meine Festung steht, Löcher für Bäume bohrt, wird man sich an Ihre Wälle nicht einmal als Staub erinnern.« Dann blickte er mich voll und fest mit seinen Neumetallaugen an. »Ich dachte, wir könnten miteinander auskommen«, fuhr er fort, »könnten hübsche Kriege haben und so weiter. Ich sehe, daß ich getäuscht wurde. Aber ich glaube, dieses neue Invasionsprinzip, das ich ausgearbeitet habe –« Und er beließ es damit, ließ es hängen. Wir hoppelten still weiter. Ich mochte diesen Kerl.
    Als wir am Ort der Feierlichkeit ankamen, bemerkte ich, daß ich an der Seite von Festung 20 war, einem uralten Mann, der nicht mehr als leidliche Ergebnisse im Kriege vorweisen konnte, und ich, indem ich mich beeilte, hatte gerade genügend Zeit, um ihn gut-und-reichlich mit meinem neuen Sprenger zu bedrohen. Dann begann die Feierlichkeit, und es war eine höchst demütigende Angelegenheit, wie immer. Ein kleiner spitzgesichtiger Mann in einer schwarzen Robe, dem man nachsagte, daß er imstande sei, mit zehn Prozent weniger Fleischstreifen zu leben als jeder Herr einer Festung, stand auf und erzählte uns die lange düstere langweilige Geschichte des Grundes, warum an diesem Tage der Himmel rote Streifen hatte, was Blut war, wie glücklich wir wären, es nicht zu besitzen, und die ganzen langweiligen ermüdenden Einzelheiten davon, wie wir sicher durch eine Zeit gekommen waren, in der die Liebe und ihre ganze Unzuverlässigkeit versucht hatte, das Denken des Menschen zu beherrschen. Dann mußten wir uns nur Haßmusik auf Schallplatten anhören, scheinbar stundenlang, und zwischen dem Plattenwechseln mußten wir dem kleinen Kerl in der schwarzen Robe zuhören, der pathetisch über unsere Pflicht redete, die Frühjahrssaison, den wirklichen Beginn des Jahres, mit einigen wirklich bedeutsamen Vernichtungen zu beginnen.
    Als der letzte schneidend schrille Ton der Haßmusik in dem rotgestreiften Gasschirm verklungen war und sich die peinliche Stille in dem gewaltigen Amphitheater breitgemacht hatte, war es Zeit für den ernstesten Akt unserer Demütigung. Wir mußten, einer nach dem anderen, zu dem in der Mitte gelegenen Podium marschieren – wo ein großer schwarzer Behälter stand – und dort unsere Tränen abgeben. Wir gingen in der umgekehrten Reihenfolge unseres Ranges bei den Vernichtungen des letzten Jahres, was mich stolz bei unserer umfassenden Demütigung an die letzte Stelle brachte, denn ich allein besaß die Kriegsmedaille für meine Erhabenheit. Es war ein ehrfurchteinflößender und stolzer Augenblick, als ich allein mit all meinem in der Vergangenheit erlangten Ruhm auf der Plattform stand und meine Plastiktüte voll Tränen ausgoß, die ein Symbol dafür waren, daß sogar ich nicht vollkommen gewesen war, wie es der Mensch niemals sein kann. Die zeremoniellen Tränen, hergestellt nach genauen Anweisungen in unseren Festungen als eine Tat der tiefsten Demut, waren eine Art Buße für die Dinge, die wir nicht getan hatten, für Sprenger, die wir nicht erfunden hatten, für Invasionen, die wir nicht durchgeführt hatten.
    Als die letzte meiner Tränen in das Gefäß getropft war, drückte der spitzgesichtige Mann, der jetzt völlig hingerissen bei einem Kontrollkasten an einer entfernten Wand stand, auf einen Knopf, wodurch eine dunkle Gestalt mit wahrhaft prächtigen Zügen der Verläßlichkeit und des Hasses veranlaßt wurde, langsam aus dem schwarzen Behälter aufzusteigen, als ob sie vorher in schrecklicher Erniedrigung auf unseren Bußtränen getrieben wäre. Dann wurde ein zweiter Knopf gedrückt, um sie als Symbol für unsere gestiegenen Hoffnungen und unsere Hingabe an die Arbeit, bessere Hasser zu sein, himmelhoch in den weißen, rotgestreiften Gasschirm zu jagen. Es war, wie immer, der feierliche hohe Augenblick unserer Demütigung und Buße, der mit einem Ton der Hoffnung auf unsere Sühne und unsere größeren Verdienste im Kriege endete. Jetzt hatten wir von den Ereignissen des Tages nur den langwierigen und ärgerlichen schweren Weg nach Hause vor uns, den wir, da die Feierlichkeit vorüber war, in loser Ordnung antreten konnten.
    Ich plante auf dem Rückweg für eine Weile mit den meisten der Festungsherren zu gehen, mit denen ich nicht auf dem Hinweg gegangen war. Ich schlenkerte lässig meine Kriegsmedaille und erzählte ihnen beiläufig über meinen neuen Sprenger (den ich in Wirklichkeit

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