Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
Vom Netzwerk:
sie an, wobei ich die ganze Große Ansprache rezitierte, als sie vor dem vorvorletzten Tor stand; sie war fett und rund in ihrem Spielzeug-Raumanzug. Sie hopste kleinmädchenhaft freudig, sie würde ihren Papi sehen. Aber ich mußte aufpassen. Es könnte ein Trick und eine dumme Falle sein. Ich lenkte alle meine Prüfer und Entgifter auf sie, als ich sie durch das vorletzte Tor ließ, ich verfolgte sie sorgfältig mit meinen Waffen. Als sie vor dem letzten Tor stand, fragte ich sie: »Hast du einen Paß, um hier zu sein? Hat dir die Hexe ein Papier ausgeschrieben?«
    »Ich bin der Hexe entwischt und sprang auf einen Rollweg«, sagte sie und kicherte. Das gefiel mir. Hexe war die Frau, die ein Dutzend Plastikhügel von mir entfernt mit, wie man mir von Zeit zu Zeit berichtet hatte, mehr als einem Dutzend verschiedener Plastikmänner lebte. Aber ich hatte die ganzen Werfer und die Sehende Wand nicht nur für die Hexe. Hexe war nur ein Teil meines Kummers, im Moment sogar fast der winzigste Teil, da die Dinge in der Welt so sind, wie sie sind; sie lebte mit ihren Plastikmännern im Tal der Weißen Hexe, und wir sahen uns wirklich höchst unregelmäßig. Manchmal tauschten wir zu Weihnachten frostige Grüße – »Fröhliche Weihnachten da drüben!« – über unsere Multi-Sichtschirme aus; manchmal schickte ich ihr zu Nikolaus alte Besenstiele als Zeichen meiner Liebe. Und einmal fanden wir uns beide an einem nicht lange zurückliegenden Ostern – ich konnte es mir niemals erklären – außerhalb unserer Wälle, wie wir mit unseren Schnüffeloskop-Sehern gegenseitig die Festung des anderen in Augenschein nahmen, als sich die rosa Sonne gerade über die eisähnlichen Plastikhügel schob. Als ich mit meinem Glas direkt in ihr Glas blickte und die schauerliche blaue Kugel sah, die ihr neuestes Auge war und ich einfach dachte, an den ganzen eisigen Menschenhaß in der Welt dachte, alterte ich um zehn Jahre. Und wer konnte sich daher wundern, daß hinter den Wällen dort draußen die Bunker zwei Meter fünfzig dick sind und die Stahlmänner warten? Es ist nicht merkwürdig, daß ich die kriechenden Geschosse, die laufenden Puppenbomben und das Aufblitzen der Raketen der Weißen Hexe fürchte, wenn man sich darüber im klaren ist, daß alles, was ich dagegensetzen kann, beständige Wachsamkeit und alle Waffen, die ich bekommen kann, sind. Aber sie hatte meine Kinder – meinen kleinen Jungen und mein kleines Mädchen – vor langer Zeit in jener anderen Welt. Er ist jetzt auf die Seite der Plastikmänner gegangen und arbeitet meistens mit seinem Weltraumspielzeug … und sieht kaum jemals seinen Vati. Er ist damit zufrieden, von mir, seinem Vati, weg zu sein.
    Aber wie ich sagte, war die Hexe jetzt nicht die einzige Drohung. Ich betrachtete sie im Moment noch nicht einmal als die größere Bedrohung. Sie war ein Störenfried. Die unerbittlichen Feinde waren irgendwo jenseits der weiter entfernten Hügel, und dann war da noch die Zeit … Die Zeit, die versuchte, durch meine Fleischstreifen zu kommen, bevor ich bis zum Letzten durchdringen konnte.
    »Hallo, Kleine Schwester.« Die Entgifter hatten ihr einen sauberen Schein ausgestellt; der Waffenbericht hatte angegeben, daß sie in Ordnung war – ZUVERLÄSSLICH was ihre Person betraf und ein verschwommenes EINGESCHRÄNKT wurde für das angegeben, was sie trug. Ich sah, daß sie den Kleinsten Engel trug und deshalb hielt ich es für ein annehmbares Risiko – ein kleines Mädchen und seine Weltraumpuppi. Ich ließ sie durch. Und jetzt stand sie vor mir, ein winziger dreijähriger Engel, ganz aus Fleisch und Knochen und Blut, bis jetzt, außer ihren Zähnen, die aus Stahl waren. Und so weit hatten sie die Umbauer von Moderan bis jetzt ersetzt, aus Achtung vor ihrem Alter. Im Alter von zwölf, wenn sie noch lebte, würden alle ihre Glieder aus Metall sein, und vielleicht würden in diesem Alter einige ihrer Organe mit Metall überzogen sein. (Ich bestehe selbst zu zweiundneunzigeinhalb Prozent aus Metallegierungen, die dazu bestimmt sind, ewig zu funktionieren!) »Wie geht es dir, Kleine Schwester?«
    Sie lispelte, hopste vor Freude, »Ich bin gekommen, um mit dir zu leben, Vati. Ich bin der Hexe weggelaufen. Du brauchst Liebe!«
    »Oh, Nein!« Ich war bestürzt und völlig niedergeschmettert. Ich erhob mich aus meinem Schmiegesessel und stand zitternd da, aus allen meinen Fleischstreifen ergoß sich kalter Schweiß. Alle meine Metallteile, wo sie mich umgebaut hatten,

Weitere Kostenlose Bücher